Verehrter Herr Wedekind,
pflichtgemäß muss ich Ihnen sagen, dass wir auf Harden nicht
mit Sicherheit rechnenMaximilian Harden hatte Walther Rathenau am 5.10.1905 geschrieben (dabei einleitend das gezeichnete Porträt von Wedekind auf dem letzten Brief kommentiert): „Ihr Wedekindportrait ist einfach fabelhaft ähnlich und gut. [...] Aber das Original werde ich leider nicht sehen. Bisher konnte ich überhaupt noch nicht aus dem Haus (zwei Besuche beim Zahnarzt abgerechnet). Ob ichs Sonnabend kann, weiß Jahwe. [...] aber etwa orgiastisch zu schwärmen, wäre in meinem Zustand (3 Tage 40°) ganz unmöglich. Wie gräßlich leid mirs tut, wissen Sie. Hätten Sie, weniger despotisch, mich gefragt! Es ist fast stillos, daß ich nicht dabei sein soll. Übrigens auch für Sie nicht gut. Der Knabe kommt gegen 11½; es wird 3. Hätten Sie ihn, wie er mir vorschlug, für nachmittag gebeten! ‚Jause‘ nennt mans in Wien. Hidalla müssen wir jedenfalls zusammen sehen.“ [Hellige 1983, S. 428] Daraufhin schrieb Rathenau am 6.10.1905 an Harden, seinen Brief an Wedekind erwähnend: „Sie müssen morgen abend kommen, wenn Sie ein netter Kerl sind. Ich habe W.[edekind] ausdrücklich um einen Endtag gebeten, um Sie zu ‚sichern‘. Eben habe ich ihm notificiert, daß Sie auszubrechen suchten, weil ich weiß, daß er sich auf Sie spitzt, und anheimgestellt, zu verschieben, wenn er das Risico nicht will.“ [Hellige 1983, S. 430] können. Er ist von allerlei Übeln geplagt und fürchtet
die späte Stunde.
Um Ihnen Harden ungeschmälert aufzutischen, hatte ich sonst
niemand gebeten. Wenns Sie mit mir allein vorlieb nehmen wollen, so
freue ich mich aufrichtig. |
Auch bedarf es keiner Nachricht. Um Sie nicht zu enttäuschen
fühlte ich mich aber verpflichtet, Ihnen die Möglichkeit zu geben,
das Rendezvous zu verschiebenEs blieb bei dem vereinbarten Termin. Wedekind notierte am 7.10.1905 im Anschluss an die „Hidalla“-Vorstellung im Kleinen Theater: „Triclinium mit Harden bei Rathenau.“ [Tb].
Mit ergebenster Empfehlung
Ihr
W Rathenau.
6.10.05.