Berlin, Jägerstraße 63a.III. – 9.2.97.
Lieber Herr Halbe,
gestern im Lauf des Tages war
ich zwei Mal bei IhnenWedekind hat am 8.2.1897 zweimal versucht, den vor einigen Tagen in Berlin eingetroffenen Max Halbe vermutlich in dessen Hotel zu erreichen. Max Halbes erster aus Berlin geschriebener Brief an seine Frau Luise Halbe datiert vom 4.2.1897 und enthält die Wedekind betreffende Mitteilung, die er nicht von ihm erfahren haben dürfte: „Wedekind hat sich mit Frida Strindberg verlobt!“ [Mü, MH B 589] Max Halbe reiste am 13.2.1897 wieder von Berlin ab, wie er Luise Halbe am 12.2.1897 mitteilte: „Heute ist hier mein letzter Abend. Morgen Nachm. reise ich nach Breslau. […] Von da ab nach Wien, hauptpostlagernd.“ [Mü, MH B 589] und hätte Sie gerne getroffen. Seit ich hier binWedekind war seit spätestens Mitte Dezember 1896 in Berlin, um sich vor Ort um die Aufführung seiner Stücke zu bemühen (siehe unten)., lag es
mir manchmal auf der Seele, daß ich Ihnen nicht nach MünchenMax Halbe lebte seit dem 15.3.1895 wieder in München [vgl. Halbe 1935, S. 139]. geschrieben.
Nachdem Sie selber sich davon überzeugt, wie mißlich meine Bühnen-AngelegenheitenWedekind suchte seine Dramen „Der Erdgeist“ (1895) und „Die junge Welt“ (1897) in Berlin auf die Bühne zu bringen (siehe seine Korrespondenz mit Ludwig Fulda und Otto Erich Hartleben) – bis dahin ohne Erfolg. stehen, werden Sie | das vielleicht begreifen.
Gestern Abend war ich mit
meiner BrautFrida Strindberg, mit der Wedekind seinerzeit liiert und die bei ihm seit etwa drei Wochen in Berlin zu Besuch war [vgl. Wedekind an Hans Richard Weinhöppel, 20.1.1897]. bei Frau Professor DoeplerBertha Doepler (geb. Schüler) in Berlin (Bülowstraße 18) [vgl. Adreßbuch für Berlin 1897, Teil I, S. 221], Gattin von Carl Emil Doepler [vgl. GB 1, S. 355], 1870 als Professor an das Kunstgewerbe-Museum nach Berlin berufen, Historienmaler, Buchillustrator und Kostümbildner. Max Halbe war mit Bertha Doepler spätestens seit Ende 1894 bekannt, wie eine Postkarte von ihm an sie vom 9.12.1894 belegt [vgl. Antiquariat Abaton (München), Liste 10 (2010), Nr. 65, S. 27].. Wir sprachen
unter anderm viel von Ihnen und Frau Doepler bedauerte, Sie noch nicht gesehen
zu haben. Sie hat uns dann auf nächsten Freitagam 12.2.1897. Abend eingeladen und bat
mich, Ihnen zu sagen Sie möchten auch kommen. Ich hatte ihr gesagt,
daß Sie, soviel ich wisse, hier sehr durch die Intro|ductionEinführung. Ihres neues
StückesMax Halbes fünfaktiges Drama „Mutter Erde“ (1898), das er am 15.1.1897 in Kufstein abgeschlossen hatte [vgl. Halbe 1935, S. 169]. Die Presse meldete: „Dr. Max Halbes neues Drama führt den Titel ‚Mutter Erde‘ und spielt wie die ‚Jugend‘ in der Heimath des Dichters. Halbe hat sich nach Kufstein zurückgezogen, um in der Bergeinsamkeit dieses Grenzstädtchens die letzte Hand an das Stück zu legen.“ [Allerlei aus München. In: Berliner Tageblatt, Jg. 26, Nr. 39, 22.1.1897, Abend-Ausgabe, S. (2)] Max Halbe ist „in Berlin bei Brahm gewesen [...], der das soeben vollendete Werk sofort für das ‚Deutsche Theater‘ annahm“ [Halbe 1935, S. 169]. „Mutter Erde“ wurde am 18.9.1897 am Deutschen Theater zu Berlin (Direktion: Otto Brahm) uraufgeführt [vgl. Berliner Tageblatt, Jg. 26, Nr. 472, 17.9.1897, Morgen-Ausgabe, 1. Beiblatt, S. (4)]. in Anspruch genommen seien.
Wenn ich Morgen oder übermorgen
Zeit finde spreche noch einmal bei Ihnen vor. Sollte ich Sie nicht zu
Hause treffen, so haben Sie wol die Güte, mit Frau Doepler oder
mir durch einige Zeilen zu antworten.
Mit herzlichem Gruß und den
besten Wünschen
Ihr
Frank Wedekind.