Verehrter Herr Wedekind,
da wir vergangenen Freitagder 3.11.1905, an dem wahrscheinlich der Klub der Sezession gegründet wurde (siehe unten). auf das Vergnügen Ihrer Gegenwart verzichten mußten,
machen Sie uns vielleicht am nächsten Freitagder 10.11.1905, an dem Wedekind abends um 20 Uhr im Kleinen Theater in Berlin [vgl. Berliner Tageblatt, Jg. 34, Nr. 574, 10.11.1905, Morgen-Ausgabe, 2. Beiblatt, S. (4)] in „Hidalla“ auftrat [vgl. Tb] und die Einladung Max Liebermanns nicht wahrgenommen hat. den 10ten um 8 ½ Uhrum 20.30 Uhr; um diese Zeit stand Wedekind auf der Bühne (siehe oben). das Vergnügen: der
neugegründete KlubMax Liebermann, Maler und Mitglied der Akademie der Künste, der noch immer in Berlin ansässig war (Pariser Platz 7) [vgl. Berliner Adreßbuch 1906, Teil I, S. 1315], hat den wohl am 3.11.1905 (Freitag) gegründeten Klub der Sezession initiiert, wie aus einem auf den 17.11.1905 (der dritte Freitag nach dem Gründungsfreitag) datierten Pressebericht hervorgeht: „Ganz im stillen hat sich die Zahl der Berliner Klubs in den letzten Tagen um einen neuen vermehrt. Die Mitglieder der ‚Sezession‘ haben sich als ein Klub konstituiert, der sie auch außerhalb ihrer eigentlichen Berufstätigkeit zusammenführen und ihnen die Annehmlichkeiten eines eigenen geselligen Heims bieten soll. Die Räume des neuen ‚Klubs der Sezession‘ befinden sich in dessen Hause am Kurfürstendamm und sind sehr behaglich und geschmackvoll eingerichtet. Auch wer nicht der Sezession angehört, ja nicht einmal ausübender Künstler ist, kann zu dem Klub Zutritt erhalten. Es ist in Aussicht genommen, an jedem Freitag abend ein festliches Mahl zu veranstalten und das erste hat bereits stattgefunden. Professor Max Liebermann, den man wohl als den Schöpfer des Klubs betrachten darf, hielt hierbei eine Ansprache, in der er dessen Ziele auf die ihm eigene Weise darlegte. Von anderen Klubs unterscheidet sich im übrigen der der Sezession, nach einem Worte Liebermanns ‚durch gänzliche Statutenlosigkeit‘.“ [N.G.C.: Der „Klub der Sezession“. In: Hamburger Fremden-Blatt, Jg. 77, Nr. 273, 19.11.1905, 4. Beilage, S. (1)] würde es sich zur ganz besonderen Ehre anrechnen, Sie in
seinen Räumen Kurfürstendamm 208/9seit dem Frühjahr das neue Ausstellungsgebäude und Sitz der Berliner Secession (Kurfürstendamm 208/209), die Ausstellungshaus am Kurfürstendamm G.m.b.H. (Geschäftsführer: Paul Cassirer) [vgl. Berliner Adreßbuch 1906, Teil I, S. 49, 2125]. zu begrüßen.
Der Klub will nichts geringeres als Poesie und
bildende Kunst zu verschwistern, ja sogar zu verheirathen – letzteres ohne Nebengedanken
natürlich! – Also kommen Sie | und Sie werden uns alle aufs lebhafteste
erfreun, besonders aber Ihren
Sie verehrenden
Max Liebermann