Herrn
Frank Wedekind,
München.
Sehr geehrter Herr!
Hierdurch beehre ich mich, Ihnen ergebenst mitzuteilen, dass
Herr Verlagsbuchhändler Ernst Rowohlt
in Leipzig mich mit
Wahrnehmung seiner Interessen Ihnen gegenüber in folgender Angelegenheit
beauftragt hat.
Mit Brief
vom 12. Novembervgl. Wedekind an Ernst Rowohlt, 12.11.1910. dieses Jahres haben Sie ein Ihnen zur Rezension
übersandtes Exemplar des Eulenberg’schen
Schillervortrags
mit dem Bemerken an Herrn Rowohlt zurückgesandt,
dass Sie keine Lust hätten, von gemeinem |
Diebsgesindel Geschenke entgegenzunehmen.
In einem weiteren Brief vom 13. Novembervgl. Wedekind an Ernst Rowohlt, 13.11.1910. d. J. haben Sie Herrn Rowohlt
benachrichtigt, dass Sie von dem Inhalt Ihres Schreibens vom 12. November auch Herrn
Eulenberg Mitteilung gemachtvgl. Wedekind an Herbert Eulenberg, 12.11.1910.
hätten.
Herr Rowohlt, der diese Injurien selbstverständlich nicht
ungesühnt hinnehmen kann, hat in der Annahme, dass Sie bei ruhiger Ueberlegung
sich ohne Weiteres zu einer Genugtuung verstehen würden, zunächst durch Herrn Georg Müller in München versuchtDem Tagebuch zufolge traf sich Wedekind mit seinem Münchner Verleger Georg Müller am 26.11.1910: „Besprechung mit Müller über Rowohlt“ und erneut am 7.12.1910: Besuch bei Müller.“, Sie zu einer
Rücknahme der Beleidigungen zu veranlassen. Indessen ist nicht nur jede eine
volle Genugtuung enthaltende Erklärung Ihrerseits ausgeblieben, sondern Sie
haben die ehrenrührigen Behauptungen auch noch weiter verbreitet, so u. a. an
Herrn Erich Mühsam in | München.
Auftragsgemäss teile ich Ihnen daher mit, dass Herr Rowohlt
entschlossen ist, nunmehr die gerichtliche BeleidigungsklageIn seinem Tagebuch notierte Wedekind am 17.12.1910, also wohl nach Erhalt des vorliegenden Briefes: „Affaire Rowohlt“. Nach Erhalt der Beleidigungsklage, die von Leon Kallir am 21.12.1910 unterschrieben worden war, beriet sich Wedekind mit seinem Rechtsanwalt Ludwig Strauß und verfasste selbst eine Entgegnung: „fahre zu Strauß III mit Beleidigungsklage. Schreibe zu Hause Entgegnung, diktiere sie und bringe sie Strauß“ [vgl. Tb, 27.12.1910]. Als Erklärung vom 28.12.1910 schickte sie der Anwalt an das Leipziger Amtsgericht [vgl. auch Vinçon 1989, S. 447]. gegen Sie anhängig zu machen, wenn
Sie nicht binnen 3 Tagen
1. Herrn Rowohlt gegenüber die Beleidigungen unter dem
Ausdruck des Bedauerns und mit der Bitte um Entschuldigung brieflich
zurücknehmen,
2. die Herren Dr. Herbert Eulenberg und Erich Mühsam brieflich von dieser
Entschuldigungserklärung in Kenntnis setzen,
3. Herrn Rowohlt Abschriften dieser Ihrer Briefe an Herrn Eulenberg und Herrn
Mühsam zusenden,
4. die bisher in der Sache erwachsenen Kosten tragen. |
Ich
sehe daher Ihrer gefälligen Rückäusserung bis zum 20. dieses Monats entgegen
und zeichne
Hochachtungsvoll!
Leipzig, den 16. Dezember 1910.
Rechtsanwalt: ((masch))