Einschreiben!mit Bleistift eingefügt.
30. I. 12
Herrn
Frank Wedekind,
München
PrinzRegentenstr. 50
Sehr verehrter Herr Wedekind!
Bei meinem kürzlichen Aufenthalt in München bat ich Herrn Georg Müller die
Liebenswürdigkeit zu haben doch mit Ihnen einmal die AngelegenheitZur Abwendung einer Beleidigungsklage Ernst Rowohlts gegen Wedekind hatten die streitenden Parteien am 9.2.1911 einen Vergleich geschlossen. Während Rowohlt seiner Verpflichtung nachgekommen war (6.3.1911), die Wedekind abhanden gekommenen und von ihm aufgekauften Manuskripte zurückzugeben, hatte Wedekind die Frist (1.1.1912) verstreichen lassen, innerhalb der er eine Autobiographie von mindestens 10 Druckbogen an den Ernst Rowohlt Verlag zu liefern hatte [vgl. Vinçon 1989, S. 447]. unseres Vergleichsvertrages zu besprechenIm Januar 1912 traf sich Wedekind laut Tagebuch mehrmals mit seinem Münchner Verleger Georg Müller, zuletzt am 26.1.1912: „Besuch bei Müller“., da ich von
Ihnen zu meinem lebhaften Bedauern keine direkte Nachricht erhielt. Herr Müller
teilt mir nun heute mit, Sie beabsichtigten mir die Sammlung der Kommentare zu Ihren Dramen
in Verlag zu geben, nach dem Sie diese noch durch biographische Notizen und
Ausführungen erweitert hätten. Obgleich dieses ManuskriptDie erst postum (GW, 9. Bd., 1921, S. 419-453) abgedruckten Kommentare „Was ich mir dabei dachte“ leitete Kutscher mit den Worten ein: „Kurzer Kommentar zu den Werken Frank Wedekinds von ihm selbst (Niedergeschrieben 1911, mit – deutlich erkennbar – eingefügten Ergänzungen aus den Notizen anderer Jahre)“. Der gesamte Text hatte einen Umfang von 35 Seiten oder 2 ¼ Druckbogen. ja allerdings nicht den Abmachungen
unseres Vertrages ganz entsprecht/e/n würde, so bin ich doch natürlich gern bereit
auf Ihren Vorschlag einzugehen, zumal mich persönlich ja auch diese Kommentare
ausserordentlich interessieren würden.
In Ihren Ausführungen Herrn Georg Müller gegenüber scheinen
Sie sich aber in einem Irrtum zu befinden. Sie teilten Herrn Müller mit, dass
diese Arbeit Ihnen kein Honorar eintragen würde. Ich erlaube mir Sie daher ganz
ergebenst nochmals auf unsern Vertrag hinzuweisen, in dem festgesetzt wurde,
dass die erste Auflage von 1000 Exemplaren allerdings honorarfrei wäre, dass
Sie sehr verehrter Herr Wedekind
aber | von allen weiteren Auflagen 20% vom Ladenpreis des broschierten Exemplares
als Honorar erhalten würden. Ich bin nun bereit Ihnen bei Ablieferung des
Manuskriptes drei Auflagen im voraus zu honorieren, so dass ich also schon den
ersten Druck mit 4000 Exemplaren festsetzen würde. Ich würde mich nun sehr
freuen, wenn Sie sehr verehrter Herr Wedekind, mir andererseits entgegenkommen
und mir das Manuskript baldmöglichst abliefern würden. Sie können versichert
sein, dass ich mich für das Buch mit gansSchreibversehen, statt: ganz. besonderer Energie und Propaganda
einsetzen würde, so dass auch weir/t/ere grössere Honorare für Sie dabei abfallen
würden.
Ich
würde Ihnen sehr dankbar sein, wenn Sie mir mitteilten, bis wann Sie spätestens
das Manuskript abliefern wollen und sehe Ihren diesbezüglichen Nachrichten mit grossem
Interesse entgegen.
Mit vorzüglicher Hochachtung
ganz ergebenst