Lieber verehrter Hermann Bahr!
Empfangen Sie den allerschönsten Dank für das große
GeschenkHermann Bahr hat Wedekind angekündigt, ihm sein neues Stück „Der Querulant“ (1914) widmen zu wollen (siehe unten). Die Niederschrift war soeben abgeschlossen, wie Hermann Bahr seinem Freund Josef Redlich in Wien am 30.4.1914 aus Salzburg mitteilte: „Ich hab mein neues Stück fertig“ [Fellner 1980, S. 96], das Sie mir machen wollen, genauso als hätten Sie es mir schon
gemacht, mehr werde ich Ihnen nachher auch nicht danken können. Aber Ihre Güte
und Liebe hat Bedenken für mich. Seit meinen frühesten Anfängen stehe ich in
Ihrer Schuld. Sie waren in Österreich der erste der mich förderte, während es
mir bisher noch nie gelungen ist oder vergönnt war Ihnen etwas zu nützen. Jetzt
sind wir 50Hermann Bahr war am 19.7.1913 fünfzig Jahre alt geworden, Wedekind wurde am 24.7.1914 fünfzig Jahre alt. und | ich soll meine Schuldenlast Ihnen gegenüber noch vergrößert
sehen, während die Möglichkeit immer geringer wird etwas davon abzutragen. An
mir wäre es längst gewesen Ihnen meine Verehrung und Dankbarkeit öffentlich zu
bezeugen. Aber die WidmungenWedekinds Stücke waren in den Buchausgaben bis dahin einer literarischen Figur, dem vermummten Herrn („Frühlings Erwachen“), oder Personen aus dem Freundeskreis – Carl Heine („Der Kammersänger“), Willy Grétor („Erdgeist“ in der 2. Auflage von 1903), Emil Meßthaler („Hidalla“), ohne Namensnennung seiner „Braut“ Berthe Marie Denk („Totentanz“), ohne Nachnamen seiner „Muse Tilly“ Wedekind („Oaha“), Fritz Basil („Der Stein der Weisen“), Kurt Martens („In allen Wassern gewaschen“ und 1914 „Schloß Wetterstein“), Artur Kutscher („Franziska“) – gewidmet., die ich meinen Stücken mitgab, waren meist direkt
aus den Verhältnissen erwachsen, in denen sie entstanden oder zuerst zur
Geltung kamen. Und ich stecke in dieser Beziehung noch tief in Schulden,
besonders Harden gegenüberWedekinds Schauspiel „Bismarck“ (im Buch vordatiert auf 1916, ausgeliefert Ende 1915) war dann in der Buchausgabe „Maximilian Harden in größter Verehrung gewidmet“ [KSA 8, S. 154].. Meine Widmungen ent waren keine großzügige
Freigebigkeit wie das die Ihrige wäre sondern entsprangen der Absicht, wenigstens nicht als unanständiger Mensch zu erscheinen.
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Ihre lieben freundlichen Zeilennicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Hermann Bahr an Wedekind, 30.4.1914. Hermann Bahr hat Wedekind angekündigt, ihm sein neues Stück „Der Querulant“ (1914) widmen zu wollen. enthalten den
Ausdruck „in herzlicher Verehrung widmeZitat aus dem nicht überlieferten Schreiben Hermann Bahrs (siehe oben).“. Wenn dieser Ausdruck in der Widmung
stehen sollte, dann kann ich die Widmung unmöglich annehmen. Wenn Sie Ihr neues
Drama, das mir sicherlich auch ohne Widmung die größte Freude sein wird, Ihrem „Freunde“
widmenDie gedruckte Widmung lautet dann: „Meinem lieben Frank Wedekind in herzlicher Freundschaft zum fünfzigsten Geburtstag“, datiert „Salzburg Pfingsten 1914“ [Hermann Bahr: Der Querulant. Komödie in vier Akten. Berlin 1914, S. (7)]. Die Widmung ist demnach am 31.5.1914 (Pfingsten) oder auch am 1.6.1914 (Pfingstmontag) endgültig formuliert gewesen. wollten, so wäre das eine Ehre und Auszeichnung die ich wenigstens
hoffen dürfte noch halbwegs zu verdienen, und die uns beiden wol auch die
Verehrung Anderer eintrüge. Ich darf mit Stolz sagen, daß ich seit dem Beginn
Ihres Wirkens, ohne mich je einen Augenblick darin beirrt zu fühlen von ganzem Herzen Ihr Freund war. Wenn Sie mir diesen
rühmlichen Vorzug öffentlich bezeugenÖffentlich angekündigte war die gedruckte Widmung in der Buchausgabe von Hermann Bahrs neuem Stück (siehe oben) auch in einer seit dem 2.5.1914 von Berlin aus verbreiteten Pressemeldung, die in verschiedenen Zeitungen nahezu gleichlautend die vorgesehene Widmung publik machte: „Das neue Stück, das Hermann Bahr beendet hat, ist eine Komödie in vier Akten und hat den Titel ‚Der Querulant‘. [...] Die Arbeit ist ‚Frank Wedekind in herzlicher Freundschaft zum fünfzigsten Geburtstag‘ zugeeignet.“ [Ein neues Werk von Hermann Bahr. In: Berliner Tageblatt, Jg. 43, Nr. 221, 2.5.1914, Abend-Ausgabe, S. (2); vgl. Neues Wiener Journal, Jg. 22, Nr. 7370, 3.5.1914, S. 15; Salzburger Volksblatt, Jg. 44, Nr. 101, 6.5.1914, S. 8; Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 227, 4.5.1914, Morgenblatt, S. 1] und bestätigen wollen, dann nehmen | Sie
herzlichsten Dank dafür von Ihrem
alten Freunde
Frank Wedekind.
Ihnen, lieber Hermann Bahr und Ihrer
hochverehrten Frau Gemahlin die schönsten Grüße von meiner Frau und mir.