Sehr geehrter HerrAdressat ist der Eigentümer des Hauses Kurfürstenstraße 125 in Berlin [vgl. Berliner Adreßbuch 1907, Teil III, S. 429], der dort im Parterre ein Baugeschäft betrieb (gegründet 1872): Wilhelm Hamann, Maurer- und Zimmermeister. Er hatte vor Jahren selbst einmal in dem Haus gewohnt; aktuell wohnte er in der Kyffhäuserstraße 11 [vgl. Berliner Adreßbuch 1907, Teil I, S. 784].
Beiliegenden BriefEs dürfte sich um jenen früheren Brief Wedekinds an seinen Vermieter gehandelt haben, der im Notizbuch unmittelbar davor notiert ist [vgl. Wedekind an Wilhelm Hamann, 12.4.1907]., den ich Ihnen vor einigen Tagen schrieb,
schickte ich nicht ab, da ich immer noch hoffte, daß sich die Verhältnisse
bessern würden ich
mich in der Beurtheilung der Verhältnisse geirrt hätte. Ich habe mich leider getäuscht Leider ist das nicht der
Fall. SonntagDen vormittäglichen Besuch von Walther Rathenau und Max Reinhardt hat Wedekind zwar im Tagebuch nicht festgehalten, es muss sich aber um einen Besuch am 14.4.1907 gehandelt haben, da an keinem anderen Sonntag im gegebenen zeitlichen Umkreis der Antritt einer Reise Wedekinds nachweisbar ist (siehe unten). früh
um 11 Uhr waren/kamen/ Herr D. Rathenau von der
HandelsgesellschaftWalther Rathenau war Mitinhaber der Berliner Handels-Gesellschaft und gehörte dem Direktorium dieser Bank an [vgl. Hellige 1983, S. 480], wie auch der Briefkopf in seinen Schreiben ausweist (siehe Wedekinds Korrespondenz mit Walther Rathenau). und Direktor Reinhardt zu einer Conferenz zu mir. Bis 1 Uhr
wo ich verreisen mußteum 13 Uhr am 14.4.1907 (Sonntag), an dem Wedekind seine Abreise notierte: „Wir fahren nach Dresden.“ [Tb] war es mir
weder in meinen beiden Vorderzimmern noch in meinem Eßzimmer möglich ein Wort
zu sprechen ohne von unten her ununterbrochen durch KlavierspielenWedekinds notierte am 17.4.1907 (zurück aus Dresden): „Besuch bei Frau Meier wegen Klavierspielen.“ [Tb] Die Rentiere Rosa Meyer (geb. Wollmann) wohnte in der Wohnung unter ihm: Kurfürstenstraße 125, 2. Stock [vgl. Berliner Adreßbuch 1907, Teil I, S. 1572]. Der Konflikt drehte sich um das Klavierspiel ihrer Tochter Anna Meyer. Wedekind hatte eine Abneigung gegen „Klaviergeklimper“ [Wedekind an Maximilian Harden, 10.9.1913]. gestört zu werden. Jetzt habe ich eine
unaufschiebbare Arbeit mit einem aus |
Wien hergekommenen HerrnEs dürfte sich um den mit Wedekind befreundeten Arthur Holitscher gehandelt haben, der bei ihm an seinem Drama „Der Golem“ arbeitete, wie Wedekind am 16.4.1907 notierte: „Hollitscher arbeitet am Golem bei mir.“ [Tb] Wedekind reiste am 19.4.1907 dann ab nach Wien zum „Hidalla“-Gastspiel am Wiener Bürgertheater [vgl. Tb]. zu erledigen, und wage den Herrn schon gar nicht
mehr zum Arbeiten zu mirWedekind wohnte seit dem 31.8.1906 in der Kurfürstenstraße 125, 3. Stock rechts. zu bitten. Mei Die Meine Wohnung ist
dadurch völlig für mich entwertet. Ihr HausmeisterHausverwalter war Ernst Martin, ein Schuhmachermeister, der auch in der Kurfürstenstraße 125 wohnte [vgl. Berliner Adreßbuch 1907, Teil III, S. 429]. hatte mir ausdrücklich zugesichert, daß die
Wohnung ruhig sei und daß man fast gar kein Klavierspielen darin höre. Statt
dessen muß ich einen Tag wie den andern zwei bis drei Stunden
Klavierspiel über mich ergehen lassen. Ihr Hausmeister hat den ReflektantenBewerber, Interessenten. die
Wohnung in Ihrem AuftragUmstellung, zuvor: in Ihrem Auftrag die Wohnung. gezeigt, ich hatte daher keine Ursache, seine Auskunft irgendwie anzuzweifeln. Sie werden
mich daher deshalb außer dem Schaden der mir
ohnehin durch/aus/ die/den/ unwahren Angaben erwächst hoffentlich | nicht noch größere
Unkosten tragen lassen wollen und mich, wie ich Ihnen
vorschlug aus dem zwischen uns bestehenden Kontrakt entlassen. Die unter mir
wohnenden Herrschaftendie Rentiere Rosa Meyer und ihre Tochter Anna (siehe oben). werden natürlich einwenden, daß mir das richtige
Verständnis für ihre Musik Musizieren fehle. Ich kann dagegen nur darauf hinweisen, daß ich drei Jahre
lang1901 bis 1903 beim Münchner Kabarett Die Elf Scharfrichter. vom Vortrag meiner eigenen musikalischen Produktionen Compositionen gelebt habe, daß man mir
den Vortrag meiner Compositionen auch jetzt nochWedekind trat gelegentlich noch immer mit seinen zur Laute gesungenen Liedern auf. So war neben dem Gastspiel des Berliner Kleinen Theaters mit „Hidalla“ in Wien „für Sonntag, den 5 Mai […] eine Wedekind-Matinee geplant, in der unter anderem des Dichters […] ‚Lieder zur Laute‘ zur Aufführung gelangen sollen.“ [Arbeiter-Zeitung, Wien, Jg. 19, Nr. 100, 13.4.1907, Morgenblatt, S. 9] Der Verlängerung des „Hidalla“-Gastspiels wegen fand die Matinee nicht statt. In Budapest trat Wedekind am 14.5.1907 im Lustspieltheater mit seinen Liedern auf, wie er notierte: „Ich […] singe zur Guitarre.“ [Tb] hoch bezahlt und daß ich trotzdem nie einen
Nachbar oder Hausgenossen länger als zehn Minuten durch mein MusizierenText von der Zeile darüber durch Einweisungsmarkierung hierher umgestellt. gestört habe. Rücksichtslos
sind immer nur diejenigen Musiker,
die keine sind.
Hochachtungsvoll
FrW.