Berlin, Marienstraße 9.IV. – 30.4.97.
Sehr geehrter Herr Bölsche,
wiewol mir Herr KampffmeyerOb es sich hierbei um Paul oder Bernhard Kampffmeyer handelte, konnte nicht eruiert werden. Bölsche lebte seit Oktober 1894 gemeinsam mit den beiden im Friedrichshagener Dichterkreis aktiven Kampffmeyer-Brüdern und seiner ersten Frau, Adele Bertelt (Eheschließung 1890, Scheidung 1896, Heirat mit Bernhard Kampffmeyer im Juli 1897) in einem Haus in der Ahornallee 19 [vgl. Wilhelm Bölsche: Werke und Briefe. Hg. von Hans-Gert Roloff. Briefe. Band 8: Briefwechsel mit Carl und Gerhart Hauptmann. Hg. von Edith Wack. Berlin 2018, S. 232]. sagt, daß Sie
augenblicklich verreist sind, um Ihre verehrte BrautAm 12.6.1897 heiratete Bölsche in Köln Johanna Walther [vgl. Wilhelm Bölsche: Werke und Briefe. Hg. von Hans-Gert Roloff. Briefe. Band 8: Briefwechsel mit Carl und Gerhart Hauptmann. Hg. von Edith Wack. Berlin 2018, S. 138]. zu besuchen, erlaube ich
mir doch, Sie mit einer Bitte zu behelligen, die zu erfüllen Ihnen wenige
Zeilen kosten würde. Ich bin beauftragt eine Pantomime für den CircusEine Aufführung der für den Berliner Zirkus Renz geschriebenen Pantomime „Bethel“ kam aufgrund von dessen Konkurs im Juli 1897 nicht zustande und konnte auch für einen späteren Zeitpunkt nicht nachgewiesen werden [vgl. KSA 3/II, S. 803, 831 sowie Wedekinds Briefe an Weinhöppel vom 1.4. und 15.7.1897]. zu
schreiben. Sie ist schon so gut wie angenommen. Nur bittet man mich, die
Ballets zu verstärken. Der dritte Aktvgl. KSA 3/I, S. 112-132. der Pantomime spielt in der Prärie im
Staate Nebraska. Die Nacht bricht herein | und meine Europäischen Wanderer
legen sich unter freiem Himmel zur Ruhe. Dies ist der Moment wo ich um
Balletfiguren verlegen bin. Ich habe ein Chor leuchtender Mosquitosvgl. KSA 3/I, S. 121f. auftreten
lassen, aber das genügt nicht. Ich brauchte notwendig noch ein Assortiment von
durch Farbe und Gestalt auffallender Schmetterlinge, KäferDiese finden sich nicht im Stück. Statt dessen lässt Wedekind „ein Rudel wilder Thiere“, darunter „Steppenwölfe, Hyänen, Panther, wilde Hunde und Riesengürtelthiere“ auftreten [KSA 3/I, S. 122]. oder auch Pflanzen,
die halb und halb in jene Gegend hineinpassen.
Was mir fehlt ist irgendwelche Kenntniß der Werke in denen ich mich darüber
orientiren könnte, womöglich farbige Atlanten.
Ich wäre Ihnen sehr dankbar wenn Sie mir einige diesbezügliche Namen oder
Fingerzeige ertheilen möchten. Es wäre | mir dann ein leichtes, die Werke auf
der hiesigen Bibliothek zur Einsicht zu erhalten.
Ich bitte Sie, nicht böse zu sein, daß ich Sie in einem
Augenblick, da Sie vielleicht am wenigsten an solche Dinge denken, an Ihre
wissenschaftlichen Interessen zurückerinnre, und erlaube mir, diesen Zeilen die
aufrichtigsten Glückwünsche und herzlichsten Grüße an Sie und Ihre verehrte
Fräulein Braut beizufügen.
Ihr
ergebenster
Frank
Wedekind.