München 19. April 1917.
Sehr verehrter Herr Meinhard!
Mit herzlichem Dank bestätige ich Ihnen den
Empfang von M. 2600,‒ ₰
(letzte Sendung M. 400) für 13
GastspieleWedekind hat im Rahmen der erfolgreichen „Erdgeist“-Inszenierung (Premiere: 4.11.1916) unter der Regie von Rudolf Bernauer mit Maria Orska als Lulu im Theater in der Königgrätzer Straße (Direktion: Carl Meinhard und Rudolf Bernauer) in Berlin ein Gastspiel mit insgesamt dreizehn Auftritten in der Rolle des Dr. Schön wahrgenommen (am 9., 10., 12., 15., 18., 21., 24., 27., 29. und 31.3.1917 sowie am 2., 5. und 7.4.1917). Die Vorstellungen fanden teilweise auch im Berliner Theater (Direktion: Carl Meinhard und Rudolf Bernauer) statt. So meldete die Presse zum Abschluss: „Frank Wedekind. der gegenwärtig im Theater in der Königgrätzer Straße ein Gastspiel absolviert, spielt in der morgen, Donnerstag, im Berliner Theater stattfindenden Aufführung seiner Tragödie ‚Erdgeist‘ ‒ in der Besetzung des Theaters in der Königgrätzer Straße ‒ den Dr. Schön und beschließt sein Gastspiel am Sonnabend ebenfalls im Berliner Theater in der gleichen Rolle.“ [Berliner Volks-Zeitung, Jg. 65, Nr. 174, 5.4.1917, Morgen-Ausgabe, S. (2)]. Die 200 M. die Sie mir persönlich
als Extragratifikation zugedacht hatten nehme ich als empfangen an und möchte
Sie bitten, nicht darauf zurückzukommen. Ich habe Ihnen finanzielSchreibversehen, statt: finanziell. so
außerordentlich viel zu danken, daß mir die Ehre, daß Sie mein Gastspiel als
geglückt be|trachten am höchsten stehen muß.
Sofort nach meiner Ankunft in MünchenNach seinem Gastspielaufenthalt in Berlin vom 7.3.1917 bis 8.4.1917 (siehe oben) notierte Wedekind am 9.4.1917: „Ankunft in München“ [Tb]. ging ich
mit meiner Frau und den Kindern nach Herrsching am AmmerseeDer einwöchige Urlaub in Herrsching am Ammersee dauerte Wedekinds Tagebuch zufolge vom 10.4.1917 („Mit Tilly und den Kindern nach Herrsching gefahren“) bis 16.4.1917 („Rückfahrt nach München“)., so daß ich heute
erst dazu komme, Ihre geehrten freundlichen Zeilen vom 8. Aprilnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Carl Meinhard an Wedekind, 8.4.1917. Wedekind hat am Tag seiner Abreise von Berlin schon einmal auf diesen gerade erhaltenen Brief geantwortet [vgl. Wedekind an Carl Meinhard, 8.4.1917]. zu beantworten.
Die Gründe, die Sie anführen leuchten mir vollkommen ein. Was Sie von den
improvisierten Vorstellungen im Deutschen Theater schreiben trifft zu und daß
Sie in dieser Hinsicht vorsichtiger sein müssen, verstehe | ich. Ich selber
habe keine Beziehungen zu praktischen Theatertechnikern. In den beiden Stücken „Tod
und Teufel“ und „Schloß Wetterstein“ gedachte ich allerdings, die Leitung der
Aufführung zu übernehmen, wenn sich jemals eine solche verwirklichen ließe.
Übrigens stellt „Tod und Teufel“, ein Einakter, die denkbar geringsten
Ansprüche an Scenerie. Aber lassen wir die Dinge vorläufig auf sich beruhen.
Ich habe Anträge nach der Schweiz und nach Österreich, wohin ich schon der
Verpflegung wegenAnspielung auf die kriegsbedingt schwierige Ernährungssituation im Deutschen Reich. gerne gehen würde. Den Herakles | kennt vorläufig noch kein
Theaterleiter außer Ihnen und bevor das Stück gedruckt ist, was noch zwei
Monate dauern kann, werden ihn andere auch nicht kennen lernen. Im Prinzip
könnte ich mir nichts besseres wünschen als daß das Stück bei Ihnen zur
AufführungWedekind hatte Carl Meinhard zwar ein Typoskript des noch unveröffentlichten „Herakles“ geschickt [vgl. Wedekind an Carl Meinhard, 24.3.1917], eine Inszenierung durch ihn hatte er aber eher nicht im Sinn, das hatte er bereits zu verstehen gegeben [vgl. Wedekind an Carl Meinhard, 8.4.1917]. „Angesichts des anhaltenden Erfolges, den ‚Erdgeist‘ zu verzeichnen hatte, bemühten sich Carl Meinhard und Rudolf Bernauer um die Uraufführung des ‚Herakles‘-Dramas im Theater in der Königgrätzer Straße in Berlin. Wedekind fühlte sich ihnen gegenüber dankbar verpflichtet, erstrebte aber die Uraufführung an einem der großen und für das klassische Drama zuständigen Theater, wennmöglich am Deutschen Theater und unter der Regie von Max Reinhardt. Deswegen versuchte er, das Interesse vorerst auf die von der Zensur bedrängten Werke ‚Tod und Teufel‘ und ‚Schloß Wetterstein‘ zu lenken.“ [KSA 8, S. 924] gelangt.
Meine Kinder knabernSchreibversehen, statt: knabbern. noch täglich an den schönen
Süßigkeiten, die Sie ihnen geschenkt haben.
Seien Sie herzlichst gegrüßt und bedankt von
Ihrem
ergebenen
Frank Wedekind.
Bitte, mich Herrn Bernauer bestens zu empfehlen.