München, 15.IV.1901.
Sehr geehrter Herr MeinhardCarl Meinhard in Berlin (Luisenstraße 6) war Schauspieler am Deutschen Theater (Direktion: Otto Brahm) in Berlin [vgl. Neuer Theater-Almanach 1901, S. 240].,
eben komme ich von Italien zurückWedekind, der in Begleitung von Max Halbe, Eduard von Keyserling und Hans Richard Weinhöppel eine mehrwöchige Reise nach Italien unternommen hatte, „die ihn über Bozen und Verona nach Venedig führte“ [KSA 4, S. 590], war am 13.4.1901 von dieser Italienreise zurück in München [vgl. Wedekind an Bertha Doepler, 14.4.1901]. und finde Ihre
freundlichen Zeilennicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Carl Meinhard an Wedekind, 12.4.1901. vor. Voriges Jahr bedauerte ich aufs lebhafteste, Sie in
der Rolle des Musikersin der Rolle des Professor Dühring in Wedekinds Einakter „Der Kammersänger“ (1899), die Carl Meinhard bei einem Berliner Gastspiel (von Ensemblemitgliedern verschiedener Berliner Bühnen, darunter das Deutsche Theater) zunächst vom 5. bis 15.7.1900 am Neuen deutschen Theater in Prag bei den beiden „Kammersänger“-Vorstellungen am 10.7.1900 und 15.7.1900 (die Abschiedsvorstellung) gespielt hat [vgl. Prager Tagblatt, Jg. 24, Nr. 188, 10.7.1900, Morgen-Ausgabe, S. 13; Nr. 193, 15.7.1900, S. 16], dann vom 17. bis 30.7.1900 am Münchner Schauspielhaus bei den beiden „Kammersänger“-Vorstellungen am 24.7.1900 und 27.7.1900 [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 53, Nr. 339, 24.7.1900, General-Anzeiger, S. 1; Nr. 345, 27.7.1900, General-Anzeiger, S. 1]. Die Presse urteilte: „Einen hübschen Erfolg errang sich Herr Meinhard in der Rolle des alten Komponisten, den er, trotz seiner eigenen Jugend, weit lebendiger und sicherer verkörperte als die jugendlichen Gestalten.“ [Willy Rath: Münchner Schauspielhaus. (Gastspiel des Berliner Ensembles. Zum ersten Male: „Der Kammersänger“. Drei Szenen von Frank Wedekind.) In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 53, Nr. 342, 23.7.1900, Vorabendblatt, S. 3] nicht gesehen zu haben, da ich von allen Seiten nur das
Allerbeste darüber hörte.
Ich danke Ihnen sehr für Ihr Vertrauen, das Sie in meine
Production setzen, habe aber leider außer dem Marquis von Keith und der Jungen
Welt nichts, was ich Ihnen übersenden kann, da meine neueste Arbeitdas Fragment „Blanka Burkhart. Drei Scenen“ [vgl. KSA 4, S. 694], das „Wedekind mit Blick auf seine Beteiligung am Überbrettl-Projekt des von José Ferenczy geleiteten Berliner Centraltheaters in Angriff nahm.“ [KSA 4, S. 691] noch lange
nicht bühnenfertig ist. Der Marquis von Keith wird im Juni in BerlinEmil Meßthaler, Direktor des Intimen Theaters in Nürnberg, gastierte vom 15.6.1901 bis 15.8.1901 als Direktor am Neuen Theater in Berlin [vgl. Neuer Theater-Almanach 1901, S. 461], wo er die Uraufführung des „Marquis von Keith“ zu inszenieren plante; der Plan zerschlug sich. Das Stück wurde dann am 11.10.1901 unter der Regie von Martin Zickel am Berliner Residenztheater uraufgeführt [vgl. KSA 4, S. 533]. von
Meßthaler gespielt und im Herbst bei Jarno in WienJosef Jarno, Direktor des Theaters in der Josefstadt in Wien [vgl. Neuer Theater-Almanach 1902, S. 570], plante eine Inszenierung des „Marquis von Keith“, die sich aber verzögerte und erst am 30.4.1903 im Theater in der Josefstadt Premiere hatte.. Die Junge Welt ist bis
jetzt noch nicht aufgeführtWedekinds Komödie „Die junge Welt“ (1897) wurde erst am 22.4.1908 am Münchner Schauspielhaus uraufgeführt., ich halte sie aber für ein Stück, dessen Humor von
der Bühne herab sehr gut wirken könnte. Leider werden aber beide Stücke wol zu
viel Personal beanspruchen, um Ihnen für Ihre TourneeCarl Meinhard war im Sommer auf Gastspielreise mit dem Deutschen Theater (Direktion: Otto Brahm), die am 2.6.1901 in Prag am Neuen deutschen Theater begann und am 10.6.1901 am Carl-Theater in Wien fortgesetzt wurde (auf dem Spielplan keine Stücke Wedekinds). passend zu sein. Immerhin
ist es mir eine Freude, sie Ihnen vorlegen zu könnenWedekind hat Carl Meinhard offenbar mit dem vorliegenden Brief als Beilage seine Komödie „Die junge Welt“ geschickt..
In der Hoffnung recht bald Ihre verehrte persönliche
Bekanntschaft zu machen, bin ich in vorzüglicher Hochschätzung Ihr
Frank Wedekind.