[1. Abschrift:]
Sehr geehrter Herr Herzog!
Empfangen Sie meinen schönsten Dank für das prachtvolle
GeschenkHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zur Buchsendung; erschlossenes Korrespondenzstück: Wilhelm Herzog an Wedekind, 17.11.1911. ‒ „Heinrich von Kleist. Sein Leben und sein Werk“ von Wilhelm Herzog war gerade erschienen und „gelangte soeben zur Versendung“ [Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Nr. 269, 18.11.1911, S. 14392] an den Buchhandel, wie die C.H. Beck Verlagsbuchhandlung Oskar Beck in München annoncierte, und der Verfasser sandte ein Exemplar der Monografie an Wedekind., das Sie mir mit Ihrer Kleistbiographie gemacht haben. Morgen Abendam 20.11.1911. Die Presse hatte zum 100. Todestag des Dichters Heinrich von Kleist angekündigt: „Auch das Münchner Schauspielhaus plant eine Heinrich v. Kleist-Feier. Montag, 20. November, gelangt der ‚Zerbrochene Krug‘ völlig neu einstudiert zur Aufführung. Dann wird Frank Wedekind eine Gedächtnisrede auf Kleist halten“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 64, Nr. 499, 25.10.1911, Vorabendblatt, S. 2]; dann nochmals: „den 20. November, findet eine Kleist-Feier statt, eine Aufführung von ‚Der zerbrochene Krug‘. [...] Zum Schluß der Feier wird, wie bereits mitgeteilt, Frank Wedekind eine Gedächtnisrede auf Kleist halten.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 64, Nr. 537, 17.11.1911, Vorabendblatt, S. 1] Wedekind hielt am 20.11.1911 in München im Rahmen dieser Feier seinen „Kleistvortrag im Schauspielhaus“ [Tb], in der Fußnote zum Erstdruck als „Rede, gehalten bei der Kleist-Feier des Münchner Schauspielhauses“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 64, Nr. 546, 22.11.1911, Morgenblatt, S. 1] bezeichnet, hat aber noch am selben Tag an dieser Rede gearbeitet, wie er am 20.11.1911 notierte: „Schreibe an Kleistvortrag.“ [Tb] Insofern las er in München eine andere Fassung als in Berlin, wo er seine Kleist-Rede am 29.10.1911 erstmals gehalten hat. Er dürfte den Auftakt der Rede mit der Würdigung Wilhelm Herzogs (siehe unten) am 20.11.1911 neu formuliert haben, nachdem er nun dessen Kleist-Monografie (siehe oben) vorliegen hatte.
spreche ich einige Worte über Kleist im Münchener Schauspielhaus: und werde mir
erlauben, Ihnen meinen Dank dabei öffentlich auszusprechenDer Auftakt von Wedekinds Kleist-Rede lautet: „Meine hochverehrten Damen und Herren! Das schönste Denkmal, das Heinrich v. Kleist zu seinem hundertjährigen Todestag erhalten hat, ist meines Wissens die über 500 Seiten starke Kleist-Biographie des jungen Literarhistorikers Wilhelm Herzog. Im allgemeinen teile ich die Literarhistoriker in zwei große Klassen ein. Die einen sind Literarhistoriker, für die die gesamte Literatur immer hundert Jahre vor der Gegenwart aufhört. Die anderen haben den genialen Blick, die Literatur der Gegenwart mit der vergangener Jahrhunderte zu vergleichen und an ihr zu messen. Die einen sind die geborenen Erfolgsanbeter [...]. Die anderen sind die Mitkämpfer, die Mitschaffenden, die oft auf gleicher geistiger Höhe stehen, wie die Dichter, mit denen sie sich beschäftigen, ihnen oft auch geistig weit überlegen sind. [...] Zu der zweiten Art von Literarhistorikern gehört Wilhelm Herzog. Seine Kleist-Biographie, die alle Resultate der bisherigen Kleist-Forschung umfaßt und der er sechs Jahre seines Lebens widmete, hat ihn nicht gehindert, der Literatur der Gegenwart seine ganze Seelenglut und eine überlegene souveräne Auffassungsgabe entgegenzubringen.“ [KSA 5/II, S. 420].
Mit besten Grüßen
Ihr ergebener
Frank Wedekind
München 19.11.11.
[2. Erstdruck:]
München, 19.11.11.
Sehr geehrter Herr Herzog!
Empfangen Sie meinen schönsten Dank für das prachtvolle
Geschenk, das Sie mir mit Ihrer Kleistbiographie gemacht haben. Morgen Abend
spreche ich einige Worte über Kleist im Münchener Schauspielhaus: und werde mir
erlauben, Ihnen meinen Dank dabei öffentlich auszusprechen.
Mit besten Grüßen
Ihr ergebener
Frank Wedekind.