München, 15. Juli 1915.
Sehr verehrte gnädige FrauGabriele Reuter, Mitverfasserin der aktuellen Anfrage des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller an Wedekind (siehe unten).!
Sehr verehrte HerrenFritz Engel, Hans Land und Hermann Kienzl, Mitverfasser der aktuellen Anfrage Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller an Wedekind (siehe unten).!
Empfangen Sie aufrichtigen Dank für die Ehre und Auszeichnung, die Sieder Schutzverband Deutscher Schriftsteller (SDS), als Interessenvertretung der Schriftstellerinnen und Schriftsteller deutscher Sprache am 11.1.1910 in Berlin gegründet und am 22.3.1910 in das Vereinsregister eingetragen [vgl. KSA 5/III, S. 492]. Wedekinds Name findet sich ebenso wie die Namen von Fritz Engel, Hans Land, Hermann Kienzl, Gabriele Reuter sowie Georg Reicke und Rudolf Presber im gedruckten „Mitgliederverzeichnis“ des „Schutzverband Deutscher Schriftsteller“ – „Geschäftsstelle: Berlin-Wilmersdorf, Kaiserallee 173a“ [Universitätsbibliothek Leipzig, Nachlass Karl Bücher, NL 183/4/Scho-Schw 73-88 : Kasten S; Blatt 79-85; online: https://katalog.ub.uni-leipzig.de/Record/163-DE611HS1654180/Holdings (zuletzt abgerufen 18.10.2024)]. Wedekind war seit 1911 Mitglied des SDS [vgl. KSA 5/III, S. 492], ebenso Mitglied der am 11.7.1913 in das Vereinsregister eingetragenen Münchner Ortgruppe des SDS, in deren vorbereitender Kommission er aktiv gewesen war [vgl. Fischer 1980, Sp. 146]. mir durch Ihre Aufforderungnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Schutzverband Deutscher Schriftsteller, Fritz Engel, Hans Land, Hermann Kienzl, Gabriele Reuter an Wedekind, 10.7.1915. Die Aufforderung betraf Wedekinds Mitarbeit an der im Anschreiben noch unbetitelten „Kriegsmappe des SDS“ (siehe unten), wie aus einem Vergleichsbrief des SDS (unterzeichnet von Fritz Engel, Hans Land, Hermann Kienzl, Gabriele Reuter) mit Geschäftsstelle in Berlin-Wilmersdorf (Kaiserallee 173a) an den Leipziger Nationalökonomen Karl Bücher vom 10.7.1915 (mit Anlagen) hervorgeht (gedruckter Briefkopf: „Schutzverband Deutscher Schriftsteller E.V.“), in dem es heißt: „Die Notlage der freien Berufe steigt mit der Dauer des Krieges von Tag zu Tag – am schwersten von allen sind ohne Zweifel die freien Schriftsteller betroffen. [...] Seit Beginn des Krieges hat der Schutzverband Deutscher Schriftsteller, dessen Mitglieder-Verzeichnis wir beilegen, sich der notleidenden Kollegen mit größtem Eifer angenommen. [...] Da aber zur Zeit unsere Mittel völlig erschöpft sind, so beabsichtigen wir, eine Mappe mit Autogrammen von Dichtern, Gelehrten, Schriftstellern, Musikern und bildenden Künstlern zum besten unserer Hilfskasse herauszugeben. Diese Mappe soll Prosa oder Verse und Zeichnungen in guter Faksimile-Wiedergabe enthalten. Die Beiträge brauchen nicht unbedingt auf die Kriegszeit Bezug zu nehmen. Wir hoffen, daß auch Sie unsere gute Sache gern unterstützen werden und bitten Sie daher, uns geeignetes Material zur Verfügung zu stellen. Die Mappe haben wir uns 22 cm breit und 27 cm hoch gedacht; da jeder Beitrag auf einer besonderen Seite zum Abdruck kommen soll, so müßte Ihre Niederschrift oder Zeichnung gütigst auf diese Abmessungen eingestellt sein. Eine Aufstellung der Damen und Herren, die uns Beiträge bereits zur Verfügung stellten, liegt gleichfalls bei. Wir wollen die Herstellung der Mappe sofort in Angriff nehmen; wir wären Ihnen daher für eine möglichst baldige Erledigung unserer Bitte besonders dankbar. Mit vorzüglicher Hochachtung DER SCHUTZVERBAND DEUTSCHER SCHRIFTSTELLER“ [Universitätsbibliothek Leipzig, Nachlass Karl Bücher, NL 183/4/Scho-Schw 73-88 : Kasten S; Blatt 73-88; online: https://katalog.ub.uni-leipzig.de/Record/163-DE611HS1654180/Holdings (zuletzt abgerufen 18.10.2024)]). zuteil werden lassen. In der EinlageDie Briefbeilage ist im Original nicht überliefert, allerdings als Faksimile der Handschrift im Erstdruck, in der „Kriegsmappe des SDS“ (siehe unten). beehre ich mich Ihnen ein AutogrammWedekinds unbetitelte Stellungnahme zum Ersten Weltkrieg [vgl. KSA 5/II, S. 534; vgl. KSA 5/III, S. 490-492], die in der Anfrage ausdrücklich für „eine Mappe mit Autographen“ (siehe oben) angefordert war, als Faksimile der Handschrift dann in der „Kriegsmappe des SDS“ (siehe unten) gedruckt, die in der Anlage zur Anfrage ausdrücklich als „Autogrammwerk des S.D.S.“ [Universitätsbibliothek Leipzig, Nachlass Karl Bücher, NL 183/4/Scho-Schw 73-88 : Kasten S; Blatt 77; online: https://katalog.ub.uni-leipzig.de/Record/163-DE611HS1654180/Holdings (zuletzt abgerufen 18.10.2024)] bezeichnet ist. zu übersenden. Ein von Herrn Geheimrat ReickeDr. jur. Georg Reicke, Mitverfasser einer früheren Anfrage des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller an Wedekind (siehe unten). und Herrn Dr PresberDr. phil. Rudolf Presber, Mitverfasser einer früheren Anfrage des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller an Wedekind (siehe unten). gezeichneter Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Schutzverband Deutscher Schriftsteller, Rudolf Presber, Georg Reicke an Wedekind, 31.3.1915. Es dürfte sich bei dem verschollenen Brief um eine wohl im Frühjahr 1915 versandte erste Anfrage nach einem Beitrag für die „Kriegsmappe des SDS“ (siehe unten) gehandelt haben; es reichte „der Entstehungszeitraum der Beiträge zur ‚Kriegsmappe‘ etwa vom März bis August 1915 [...], die meisten stammten, soweit Datierungen das erkennen lassen, aus den Monaten Juni und Juli.“ [Fischer 1980, Sp. 164] läßt sich in meinen Papieren nicht finden. Ich | würde den Brief sonst auch kaum unbeantwortet gelassen haben. Indem ich Ihrem schönen UnternehmenDie „Kriegsmappe des SDS“ (1916) enthält 109 Beiträge (sowie ein Vorwort des Grafikers August Haiduk) in wohlfeiler Ausstattung (von Peter Behrens), darunter der Beitrag Wedekinds (auf Blatt 23); eine limitierte Auflage von 100 Exemplaren auf Bütten gedruckt konnte zum Subskriptionspreis von 100 Mark über die Geschäftsstelle des SDS bezogen werden, zugleich erschien im Berliner Verlag Deutscher Kurier eine günstigere Buchausgabe (4 Mark), insgesamt ein ökonomisch durchaus ertragreiches Publikationsunternehmen [vgl. Fischer 1980, Sp. 162-168]. Die „Anfang 1916“ [Fischer 1980, Sp. 162] erschienene „aufwendige Publikation“ [KSA 5/III, S. 490], angekündigt Ende 1915 [vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Jg. 82, Nr. 296, 21.12.1915, S. 8016], war nur teilweise „ein kriegspropagandistisches Unternehmen“ [Fischer 1980, Sp. 164], es gab auch „eine Reihe von kritischeren Beobachtern unter den Mitarbeitern“, darunter Wedekind, dessen „Decouvrierung des deutschen Machtstrebens [...] eine durchaus hochverräterische Betrachtungsweise“ [Fischer 1980, Sp. 165] war. Der Erinnerung Joachim Friedenthals zufolge [vgl. GW 9, S. 467] drohte „wegen Wedekinds Beitrag“ [KSA 5/III, S. 492] ein Zensurverbot, eine „Beschlagnahme der ‚Kriegsmappe‘ konnte offenbar gerade noch abgewendet werden.“ [Fischer 1980, Sp. 165] Der Band enthält neben dem Beitrag Wedekinds Textbeiträge unter anderen von Peter Altenberg, Ferdinand Avenarius, Julius Bab, Franz Blei, Oscar Blumenthal, Lily Braun, Hermann Cohen, Richard Dehmel, Fritz Engel, Herbert Eulenberg, Otto Flake, Ludwig Fulda, Max Halbe, Ernst Haeckel, Maximilian Harden, Carl Hauptmann, Gerhart Hauptmann, Anselma Heine, Karl Henckell, Hermann Hesse, Arno Holz, Ricarda Huch, Gustav Kadelburg, Hans von Kahlenberg, Friedrich Kayßler, Alfred Kerr, Hermann Kienzel, Klabund, Hans Land, Ernst Lissauer, Thomas Mann, Erich Mühsam, Rudolf Presber, Georg Reicke, Gabriele Reuter, Peter Rosegger, Ernst Rosmer, Richard Schaukal, Paul Scheerbart, René Schickele, Johannes Schlaf, Wilhelm Schmidtbonn, Arthur Schnitzler, Irene Triesch und Paul Zech sowie ganzseitige Bildbeigaben unter anderen von Ernst Barlach, Max Beckmann, Käthe Kollwitz und Max Liebermann. von ganzem Herzen bestes Gelingen wünsche und mit der Bitte, den Ausdruck ausgezeichneter Hochschätzung entgegennehmen zu wollen
Ihr ergebener
Frank Wedekind.
[Entwurf der Beilage:]
Ruhmvoller als die Version landläufige Ansicht volkstümliche Überlieferung daß Deutschland von seinen Feinden eingekreist und überfallen wurde die erste Kriegsmacht der Welt von ihren Feinden eingekreist und überfallen wurde, erscheint die Auslegung Deutung Auffassung daß das deutsche Volk die bedeutende Mehrheit des Volkes seit Jahren einen Krieg ersehnte hat in durch den sich seine Kraft und sein hoher Lebensgenuß in politische Macht umwandeln läßt werden, die von anderen Mächten nicht länger mehr übersehen und übergangen werden kann.
[Druck der Beilage (Faksimile):]
Ruhmvoller als die volkstümliche Überlieferung, daß die erste Kriegsmacht der Welt von ihren Feinden umkreist und überfallen wurde, steht die Auffassung da, daß die bedeutende Mehrheit des Volkes seit seiner Erstarkung einen Krieg ersehnte, durch den gesteigerte Kraft und gesteigerter Lebensgenuß sich in politische Macht umwandeln, die von anderen Mächten nicht länger mehr verächtlich übersehen oder gar übergangen werden kann.
Frank Wedekind.