München d. 11.7.97.
Lieber Herr Wedekind!
Herzlichen Dank für Ihren Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Dreßler, 10.7.1897., wie freu ich mich, daß Sie gute AussichtenDie Aussichten beziehen sich, wie aus Wedekinds flankierender Korrespondenz hervorgeht, auf die Tanzpantomime „Bethel“, die er im Frühjahr 1897 als Aufragsarbeit für den Berliner Zirkus Renz geschrieben hatte. Bereits Ende April war das Stück, wie Wedekind Wilhelm Bölsche am 30.4.1897 mitteilte, „so gut wie angenommen“. Das Projekt, auf das Wedekind große Hoffnungen gesetzt hatte, zerschlug sich jedoch durch den Konkurs des Zirkus Renz, der Ende Juli 1897 seine Pforten schloss [vgl. auch Wedekinds Briefe an Hans Richard Weinhöppel vom 1.4.1897 und 15.7.1897]. haben nach all den traurigen TagenWedekind hielt sich seit Anfang Dezember 1896 in Berlin auf, wo er sich vergeblich bei verschiedenen Theatern und Vereinen um die Aufführung seiner Stücke bemüht hatte. die Sie durchlebt haben, hoffentlich geht es recht bald in Erfüllung.
Sie dürfen unbesorgt sein | daß Ihre Freunde nicht wohl wollen, ist wirklich nicht der Fall, und Alle werden sich herzlich freuen Sie wiederzusehen. Frieda hat niemals häßlich von Ihnen gesprochenWedekind hatte sich im Mai 1897 von seiner schwangeren Freundin Frida Strindberg getrennt. Der gemeinsame Sohn Friedrich wurde am 21.8.1897 in Wien geboren., daß ist wirklich wahr, sie hat nur mir gesagt, daß Sie sie eben nicht lieben können, und deßhalb Alles in Freundschaft zu Ende sei. Sie können sich gewiß denken daß sie innerlich doch sehr erregt ist, weil sie leider | in diesem beklagenswerten Zustand ist – sonst würde sie ja leichter darüber hinweg kommen.
Aber wie gesagt, sie ist Ihnen nicht böse, aber es ist eben Alles aus, was meiner Ansicht nach für beide Theile das Beste ist, da Sie ja doch nicht zusammen passen. Das Leben ist noch lang genug um wieder glücklich zu werden. Ob Sie noch einmal schreiben sollen weiß ich nicht, denn Frieda spricht nicht gern über diese Angelegenheit – und | ich will auch lieber nichts sagen. Haben Sie nur Mut und es wird Alles wieder recht werden. Ich bin freilich so aufrichtig Ihnen zu sagen – daß Sie auch manchen Fehler begangen haben, um sich Feinde zuzuziehen – aber schließlich hat deren jede Mensch! Durch Frieda haben Sie meinem Gefühl nach keinen bekommen.
Und nun zu etwas Andrem. Wir reisen am 15 Juli nach Bruck in der Nähe von München, Miss mit Weinhöppel | ebenfalls, und bleiben 2 Monate dort. Wenn Sie nach München kommen dann besuchen Sie uns – gelt?(süddt./öst.) nicht wahr?
Ich selbst bin jetzt sehr unglücklich, denn mein armer Bruder ist wieder kränker, außerdem sind die pekuniären Verhältnisse meiner Familie, derart daß es mir heiß wird wenn ich daran denke, ich bin so nervös daß ich jetzt kaum meh die Feder halten kann, und müssen Sie meine Schrift entschuldigen.
Es weiß Niemand daß | ich Ihnen schreibe – antworten Sie mir nicht auf diesen Brief.
Mit herzlichen Grüßen
Ihre
Lotte Dressler.