22.2.1915.
Lieber Wedekind, wie finden Sie dasDas Foto ist nicht greifbar; lediglich eine Kopie der von Richard Dehmel beschrifteten Rückseite findet sich bei dem Brief. Ein Foto, das den bartlosen Richard Dehmel mit fast geschlossenen Augen im Schützengraben zeigt, wahrscheinlich das fragliche Bild, ist allerdings in seinem Nachlass überliefert und abgedruckt [vgl. Sabine Henning/Annette Laugwitz/Mathias Mainholz/Rüdiger Schütt/Sabine Walter: WRWlt – o Urakkord. Die Welten des Richard Dehmel. Herzberg 1995, S. 166].? So seh ich ohne den
griesengrieselich = „grausig [...] schaurig“ [DWB, Bd. 9, Sp. 265]. BartRichard Dehmel hatte bis dahin stets Bart getragen. Wedekind trug keinen Bart; lediglich nach der Operation am 29.12.1914 ist ihm ein Bart gewachsen, den er am 12.1.1915 wieder abnahm: „stehe auf, nehme mir den Bart ab.“ [Tb] aus. Ich war ganz baff über unsre Ähnlichkeit. Oder können Sie
keine entdecken? Na, hoffentlich istʼs
der „Typ der Epoche‚Typus der Epoche‘ findet sich formelhaft vor allem in kunsthistorischer oder auch literaturgeschichtlicher Fachliteratur.“; dann dürfen wir uns ja gratulieren. Aber ich werde mir
den braven Bart doch lieber wieder wachsen lassen; grausig, wieviel
soʼn nackter Mund verrät.
In
alter KriegskameradschaftEmphase des kriegsbegeisterten Richard Dehmel, sein Gefühl der Verbundenheit mit Wedekind zum Ausdruck zu bringen; außerdem Anspielung auf den gemeinsamen Auftritt am 18.9.1914 in den Münchner Kammerspielen: „Vaterländische Feier. [...] Einleitende Worte: ‚Vom deutschen Vaterlandsstolz‘ – ‚Deutschland bringt die Freiheit‘. (Frank Wedekind). [...] Richard Dehmel. ‚Alldeutschlands Erweckung‘.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 479, 18.9.1914, General-Anzeiger, S. 2]
Ihr Dehmel.
[Beilage:]
Nicht
Wedekind, sondern Dehmel.
22. Febr.
1915
(Schützengraben
bei Autrêches)
[Kuvert:]
Feldpost.
An den Dichter
Frank Wedekind.
München. |
Abs.:
Ltnt. DehmelRichard Dehmel, der sich gleich zu Kriegsbeginn als Kriegsfreiwilliger gemeldet hatte, war am 28.12.1914 zum Leutnant befördert worden und erfuhr davon am 3.1.1915 [vgl. Dehmel 1919, S. 150f.]. Er gehörte dem Infanterie-Regiment „Graf Bose“ (1. Thüringisches) Nr. 31 in Altona an, das Teil der 36. Infanterie-Brigade in Rendsburg war, die zur 18. Division in Flensburg des IX. Armee-Korps in Altona gehörte. Das I. und das II. Bataillon wurden aus Musketieren gebildet..
IX. Armeekorps, 18. Div.
Linien-Inf.-Regt. 31,
Batl. I.