2. Januar 1914.
Hochverehrter Herr Dehmel!
Empfangen Sie aufrichtigen herzlichen Dank für Ihre lieben
Zeilenvgl. Richard Dehmel an Wedekind, 19.11.1913.. Ich hab es schon so gemeint. Dem größten Dichter Deutschlands sandte
ich meine Glückwünsche, und die Gelegenheit, meiner Überzeugung Ausdruck zu
geben, war mir eine große Freude. Sie haben aber wahrlich mein Zeugnis nicht
nötig. Jeder gebildete junge Mensch sagt es mir mit den Worten, die ich an Sie
weitergab.
Und nun danke ich Ihnen auch spät noch | für die lieben
Briefe vom 27. November 1901nicht überlieferter Brief; erschlossenes Korrespondenzstück: Richard Dehmel an Wedekind, 27.11.1901.. und vom 28. Juni 1903vgl. Richard Dehmel an Wedekind, 28.6.1903.. In dem zweiten
Brief haben Sie die Güte, mich zu einem Schauspiel zu beglückwünschen, dessen
Hauptrolle heute, zehn Jahre später, noch von keinen drei SchauspielernDie Hauptrolle des König Nicolo in „So ist das Leben“ (1902) haben bis dahin Emanuel Reicher (Berlin 1903), Tom Farecht (Hamburg 1911), Julius Grevenberg (Graz 1912) und Felix Baumbach (Karlsruhe 1913) gespielt [vgl. Seehaus 1973, S. 518f.]. Wedekind „wagt erst spät die Verkörperung der Titelrolle (erstmals in Zürich am 15. Mai 1909), in der er auch nicht sehr häufig gastiert.“ [Seehaus 1973, S. 480]
gespielt wurde. Das schreib ich weiß Gott nicht um zu klagen, Ihnen ergeht es
in dieser Hinsicht schmählicher als mirRichard Dehmels literarischer Erfolg gründete sich auf seine Lyrik, seine Theaterstücke wurden kaum rezipiert und waren kaum ertragreich; so antwortete er am 15.6.1914 dem Komitee zur Ehrung Frank Wedekinds anlässlich von dessen 50. Geburtstag: „Sehr geehrte Herren! Sie ersuchen mich nun schon zum dritten Mal um einen Geldbeitrag zu der Wedekind-Spende. Daß ich zweimal mit Schweigen geantwortet habe, dürfte doch wohl genug sagen. Leider bin ich durchaus nicht der Krösus, für den man mich erfreulicherweise hält. Auf das Haus, das man mir als vermeintlichen Überfluß zum 50. Geburtstag geschenkt hat, mußte ich dreißigtausend Mark Hypotheken aufnehmen, um meine Schulden auszugleichen. Wedekinds Jahreseinnahme ist mindestens um das dreifache höher als meine; also wäre es lächerlich, wollte ich ihm Geld zum Geburtstag schenken. Mit den besten Wünschen für Erfolg Ihrer Sammlung“ [Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky, Handschriftenabteilung, Nachlass Richard und Ida Dehmel, DA : Br : D : 1789].. Ich suche mich nur zu entschuldigen,
da alles in mir auf ein Ziel, die Darstellung meiner Stücke konzentriert war. Durch
meinen Freund, Dr. Kutscher, höre ich öfter von IhnenArtur Kutscher und Richard Dehmel standen in regem Austausch (bezeugt durch ihre unveröffentlichte Korrespondenz)..
Außerdem liebe ich heute | Ihre herrlichen Werke, die zu lesen ich in
meinen damaligen Nöten keine Muße fand
Dem größten deutschen Dichter herzlichste Glückwünsche für
das Jahr 1914 und alle künftigen Jahre.
Ihr
Frank
Wedekind.