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Kennung: 2558

München, 4. September 1916 (Montag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Krüger, Max

Inhalt

München 4. September 1916.


Sehr geehrter Herr Doctor!

Empfangen Sie verbindlichen Dank für Ihre freundlichen Zeilennicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Max Krüger an Wedekind, 3.9.1916. – Wedekind hat diese Zeilen vermutlich erst erhalten, als er den ersten Brief an Max Krüger vom 4.9.1916 bereits geschrieben und abgeschickt hatte., in denen Sie mir den Plan Ihres verehrten Herrn IntendantenCarl Hagemann, seit dem Vorjahr wieder Intendant am Großherzoglichen Hof- und Nationaltheater in Mannheim [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1916, S. 492] (er war seit 1910 zwischenzeitlich künstlerischer Leiter am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, wo er „Hidalla“ inszenierte, und ist nach Mannheim zurückgekehrt), hat zu Beginn des Jahres zwei Stücke Wedekinds auf die Hoftheaterbühne gebracht – ein Gastspiel von Frank und Tilly Wedekind, die vom 19. bis 25.1.1916 in Mannheim waren, mit „König Nicolo oder So ist das Leben“ (Vorstellung am 22.1.1916) und „Erdgeist“ (Vorstellung am 24.1.1916). mittheilen, einzelne Scenen aus meinem „Bismarkin einer MatinéeCarl Hagemann führte die früher erfolgreichen Matineen am Mannheimer Hoftheater wieder ein, eröffnet mit einer Otto von Bismarck gewidmeten Veranstaltung, in die Wedekinds Stück eingebunden war, wie die Presse wenige Tage später meldete: „Die erste soll im Monat Oktober stattfinden und Bismarck gewidmet sein. Frank Wedekind hat die Erlaubnis gegeben, daß eine markante Stelle aus seinem neuesten Schauspiel ‚Bismarck‘, dessen Uraufführung erst für später bevorsteht, gespielt werden darf.“ [K.: Dichter-Matineen im Mannheimer Hoftheater. In: Karlsruher Tagblatt, Jg. 113, Nr. 251, 10.9.1916, 1. Blatt, S. 39] Sie fand am 12.11.1916 statt, wie Wedekind in München notierte: „In Mannheim Bismark 8. Bild Matinée“ [Tb] ‒ uraufgeführt wurde am Mannheimer Hoftheater aus seinem Drama „Bismarck“ jedoch das 7. Bild („Waffenruhe“) und zwar unter dem „Titel des 6. Bildes, ‚Nikolsburg‘“ [KSA 8, S. 861], „vermutlich aus zensorischen Rücksichten“ [KSA 8, S. 866]. Hermann Sinsheimer hat die Inszenierung gesehen, wie Wedekind am 13.11.1916 notierte: „Sinsheimer erzählt von Mannheimer Bismark“ [Tb]. Eine Wiederholung fand am 26.11.1916 statt [vgl. KSA 8, S. 867]. aufzuführen. Wollen Sie dem Intendanten Herrn Dr. Hagemann bitte meinen aufrichtigen herzlichen Dank für seine für mich so wertvolle und ehrenvolle Absicht in dieser drückenden Zeit übermitteln. | Herr Dr. Hagemann wird mir erlauben, zwei Gesichtspunkte anzunehmen.

1. Hat Herr Intendant die Absicht nur eine Scene als Probe aufzuführen, dann würde ich die Auswahl ihm selber vollkommen anheimstellen. Die Londoner KonferenzWedekind nennt das 2. Bild aus seinem Drama „Bismarck“ (1915) ‒ „Die Londoner Konferenz“ (es hat den Zusatz „17. Mai 1864“) [vgl. KSA 8, S. 169-177]. läßt sich bei einer Gesammtaufführung am leichtesten ausschalten. Unter der ausgezeichneten RegieRegie führte Max Krüger, nicht Carl Hagemann. Im Programm heißt es: „In Szene gesetzt von Max Krüger.“ [KSA 8, S. 866] Darauf bezog sich auch die Kritik: „Im Rahmen einer vom Intendanten Hagemann veranstalteten Bismarck-Feier hat das Mannheimer Hoftheater unter der sorgfältigen Regie Dr. Krügers eine der beiden Hauptszenen aus dem ‚Bismarck‘ von Frank Wedekind zur Uraufführung gebracht, die Szene ‚Nicolsburg‘, oder, wie sie im Original heißt: ‚Waffenruhe‘.“ [Ernst Leopold Stahl: Uraufführung einer Wedekindschen Bismarck-Szene. In: Karlsruher Tagblatt, Jg. 113, Nr. 318, 16.11.1916, 1. Blatt, S. 2] des Herrn Intendanten könnte sie indessen zu einer ganz selbstständigen Wirkung gelangen und böte den großen Vorteil daß die Frage der Darstellbarkeit des Helden selber dabei vollkommen ausgeschaltet | wäre. Nicht daß ich an dieser Darstellbarkeit im geringsten zweifle. aber die Verehrung für den Helden wird sich bei vielen Zuschauern unwillkührlich in diesen Zweifel kleiden.

2. Der zweite Gesichtspunkt wäre der Plan, dem Zuschauer ein abgeschlossenes Ganzes zu bieten. Die vier Bilder:
Bündnisdanach mit Bleistift von fremder Hand „I.“ notiert. „Bündnis“ (es hat den Zusatz „24. November 1863“) ist das 1. Bild aus Wedekinds Drama „Bismarck“ (1915) betitelt [vgl. KSA 8, S. 157].
Die Bedingungendanach mit Bleistift von fremder Hand „IV.“ notiert. „Die Bedingungen“ (es hat den Zusatz „8. Februar 1865“) ist das 4. Bild aus Wedekinds Drama „Bismarck“ (1915) betitelt [vgl. KSA 8, S. 186].
Bitte recht freundlichdanach mit Bleistift von fremder Hand „V.“ notiert. „Bitte recht freundlich!“ (es hat den Zusatz „21. August 1865“) ist das 5. Bild aus Wedekinds Drama „Bismarck“ (1915) betitelt [vgl. KSA 8, S. 199].
Waffenruhedanach mit Bleistift von fremder Hand „VII.“ notiert. „Bitte recht freundlich!“ (mit dem Zusatz „24. Juli 1866“) ist das 7. Bild aus Wedekinds Drama „Bismarck“ (1915) betitelt [vgl. KSA 8, S. 215].
würden meinem Gefühl nach ein abgeschlossenes Ganze bilden. Eine solche Zeit Darbietung ließe sich aber wohl kaum mit der Zeitdauer einer Matinee verein|baren.

Auf jeden Fall war mir Ihre Nachricht eine große Freude und ich bitte Sie noch einmal Herrn Intendanten Dr. Hagemann meinen Dank dafür zu sagen.

Mit hochachtungsvollen Grüßen
Ihr ergebener
Frank Wedekind.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Kariertes Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 14 x 22,5 cm.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Auf Seite 3 sind von fremder Hand mit Bleistift jeweils römische Ziffern hinter die vier von Wedekind aufgelisteten Bilder aus seinem Drama „Bismarck“ notiert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Es handelt sich hier um den zweiten unter diesem Datum geschriebenen Brief Wedekinds an den Regisseur des Mannheimer Hoftheaters Dr. Max Krüger.

  • Schreibort

    München
    4. September 1916 (Montag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Mannheim
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Privatbesitz

Danksagung

Wir danken für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Max Krüger, 4.9.1916. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (23.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

10.06.2024 15:26
Kennung: 2558

München, 4. September 1916 (Montag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Krüger, Max
 
 

Inhalt

München 4. September 1916.


Sehr geehrter Herr Doctor!

Empfangen Sie verbindlichen Dank für Ihre freundlichen Zeilennicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Max Krüger an Wedekind, 3.9.1916. – Wedekind hat diese Zeilen vermutlich erst erhalten, als er den ersten Brief an Max Krüger vom 4.9.1916 bereits geschrieben und abgeschickt hatte., in denen Sie mir den Plan Ihres verehrten Herrn IntendantenCarl Hagemann, seit dem Vorjahr wieder Intendant am Großherzoglichen Hof- und Nationaltheater in Mannheim [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1916, S. 492] (er war seit 1910 zwischenzeitlich künstlerischer Leiter am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, wo er „Hidalla“ inszenierte, und ist nach Mannheim zurückgekehrt), hat zu Beginn des Jahres zwei Stücke Wedekinds auf die Hoftheaterbühne gebracht – ein Gastspiel von Frank und Tilly Wedekind, die vom 19. bis 25.1.1916 in Mannheim waren, mit „König Nicolo oder So ist das Leben“ (Vorstellung am 22.1.1916) und „Erdgeist“ (Vorstellung am 24.1.1916). mittheilen, einzelne Scenen aus meinem „Bismarkin einer MatinéeCarl Hagemann führte die früher erfolgreichen Matineen am Mannheimer Hoftheater wieder ein, eröffnet mit einer Otto von Bismarck gewidmeten Veranstaltung, in die Wedekinds Stück eingebunden war, wie die Presse wenige Tage später meldete: „Die erste soll im Monat Oktober stattfinden und Bismarck gewidmet sein. Frank Wedekind hat die Erlaubnis gegeben, daß eine markante Stelle aus seinem neuesten Schauspiel ‚Bismarck‘, dessen Uraufführung erst für später bevorsteht, gespielt werden darf.“ [K.: Dichter-Matineen im Mannheimer Hoftheater. In: Karlsruher Tagblatt, Jg. 113, Nr. 251, 10.9.1916, 1. Blatt, S. 39] Sie fand am 12.11.1916 statt, wie Wedekind in München notierte: „In Mannheim Bismark 8. Bild Matinée“ [Tb] ‒ uraufgeführt wurde am Mannheimer Hoftheater aus seinem Drama „Bismarck“ jedoch das 7. Bild („Waffenruhe“) und zwar unter dem „Titel des 6. Bildes, ‚Nikolsburg‘“ [KSA 8, S. 861], „vermutlich aus zensorischen Rücksichten“ [KSA 8, S. 866]. Hermann Sinsheimer hat die Inszenierung gesehen, wie Wedekind am 13.11.1916 notierte: „Sinsheimer erzählt von Mannheimer Bismark“ [Tb]. Eine Wiederholung fand am 26.11.1916 statt [vgl. KSA 8, S. 867]. aufzuführen. Wollen Sie dem Intendanten Herrn Dr. Hagemann bitte meinen aufrichtigen herzlichen Dank für seine für mich so wertvolle und ehrenvolle Absicht in dieser drückenden Zeit übermitteln. | Herr Dr. Hagemann wird mir erlauben, zwei Gesichtspunkte anzunehmen.

1. Hat Herr Intendant die Absicht nur eine Scene als Probe aufzuführen, dann würde ich die Auswahl ihm selber vollkommen anheimstellen. Die Londoner KonferenzWedekind nennt das 2. Bild aus seinem Drama „Bismarck“ (1915) ‒ „Die Londoner Konferenz“ (es hat den Zusatz „17. Mai 1864“) [vgl. KSA 8, S. 169-177]. läßt sich bei einer Gesammtaufführung am leichtesten ausschalten. Unter der ausgezeichneten RegieRegie führte Max Krüger, nicht Carl Hagemann. Im Programm heißt es: „In Szene gesetzt von Max Krüger.“ [KSA 8, S. 866] Darauf bezog sich auch die Kritik: „Im Rahmen einer vom Intendanten Hagemann veranstalteten Bismarck-Feier hat das Mannheimer Hoftheater unter der sorgfältigen Regie Dr. Krügers eine der beiden Hauptszenen aus dem ‚Bismarck‘ von Frank Wedekind zur Uraufführung gebracht, die Szene ‚Nicolsburg‘, oder, wie sie im Original heißt: ‚Waffenruhe‘.“ [Ernst Leopold Stahl: Uraufführung einer Wedekindschen Bismarck-Szene. In: Karlsruher Tagblatt, Jg. 113, Nr. 318, 16.11.1916, 1. Blatt, S. 2] des Herrn Intendanten könnte sie indessen zu einer ganz selbstständigen Wirkung gelangen und böte den großen Vorteil daß die Frage der Darstellbarkeit des Helden selber dabei vollkommen ausgeschaltet | wäre. Nicht daß ich an dieser Darstellbarkeit im geringsten zweifle. aber die Verehrung für den Helden wird sich bei vielen Zuschauern unwillkührlich in diesen Zweifel kleiden.

2. Der zweite Gesichtspunkt wäre der Plan, dem Zuschauer ein abgeschlossenes Ganzes zu bieten. Die vier Bilder:
Bündnisdanach mit Bleistift von fremder Hand „I.“ notiert. „Bündnis“ (es hat den Zusatz „24. November 1863“) ist das 1. Bild aus Wedekinds Drama „Bismarck“ (1915) betitelt [vgl. KSA 8, S. 157].
Die Bedingungendanach mit Bleistift von fremder Hand „IV.“ notiert. „Die Bedingungen“ (es hat den Zusatz „8. Februar 1865“) ist das 4. Bild aus Wedekinds Drama „Bismarck“ (1915) betitelt [vgl. KSA 8, S. 186].
Bitte recht freundlichdanach mit Bleistift von fremder Hand „V.“ notiert. „Bitte recht freundlich!“ (es hat den Zusatz „21. August 1865“) ist das 5. Bild aus Wedekinds Drama „Bismarck“ (1915) betitelt [vgl. KSA 8, S. 199].
Waffenruhedanach mit Bleistift von fremder Hand „VII.“ notiert. „Bitte recht freundlich!“ (mit dem Zusatz „24. Juli 1866“) ist das 7. Bild aus Wedekinds Drama „Bismarck“ (1915) betitelt [vgl. KSA 8, S. 215].
würden meinem Gefühl nach ein abgeschlossenes Ganze bilden. Eine solche Zeit Darbietung ließe sich aber wohl kaum mit der Zeitdauer einer Matinee verein|baren.

Auf jeden Fall war mir Ihre Nachricht eine große Freude und ich bitte Sie noch einmal Herrn Intendanten Dr. Hagemann meinen Dank dafür zu sagen.

Mit hochachtungsvollen Grüßen
Ihr ergebener
Frank Wedekind.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Kariertes Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 14 x 22,5 cm.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Auf Seite 3 sind von fremder Hand mit Bleistift jeweils römische Ziffern hinter die vier von Wedekind aufgelisteten Bilder aus seinem Drama „Bismarck“ notiert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Es handelt sich hier um den zweiten unter diesem Datum geschriebenen Brief Wedekinds an den Regisseur des Mannheimer Hoftheaters Dr. Max Krüger.

  • Schreibort

    München
    4. September 1916 (Montag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Mannheim
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Privatbesitz

Danksagung

Wir danken für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Max Krüger, 4.9.1916. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (23.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

10.06.2024 15:26