[1. Briefentwurf:]
Sehr geehrter Herr Harden.
Mit der Braut von Messina will es nicht vorwärts gehen. Das
hat seinen guten Grund. Nach der Aufführung von Oaha glaubten Robert und ich
die Polizei werde das Verbot aufheben, da sich kein Mensch gekränkt gefühlt
hat. Die Polizei denkt aber nicht daran und das verursacht neue Scherereien.
Diese Scherereien würden mich nun wol nicht hindern etwas für die Zukunft zu
schreiben wenn ich einen ich aktuelleren aufregenderen Stoff als die Br.
v. M hätte. Sie schlugen mir die Zensur vor. Was ich aber darüber schreibe
ringe ich mir gleichfalls nur
mit größter Überwindung ab und notzüchtige behellige dann lieber die Tagespresse damit. Für
Proteste und Manifeste hat die Zukunft | wol ebenso wenig Sympatie wie ich
selber, für den sie leider ein notwendiges Übel sind.
Nun giebt es aber sicher 100 Dinge über die zu schreiben mir
die größte Freude und eine angenehme Zerstreuung wären. Nur glaube ich
müßten Sie und
ich wir
uns über diese hundert Dinge einmal gründlich orientieren, über das was Ihnen willkommen wäre etc.
Ich kann Ihnen nur soviel sagen, daß es mir die größte Freude wäre regelmäßig
mit kleinen Beiträgen für die Zukunft zu arbeiten. Mit diesen Zeilen
möchte ich Sie mir ersuchen mir mitzutheilen ob s/S/ie in den nächsten Tagen Woche dieser
Woche in Berlin sind mich durch eine Carte
wissen zu lassen und
eine oder einige Stunden für mich Zeit übrig hätten oder ob es Ihnen besser
paßt wenn ich erst nach Donnerstag komme. Ich würde dann | sämmtliche Notizen die ich habe zusammenpacken und dieses Material
sowie andere Dinge die mich beschäftigen mit Ihnen wenn möglich kurz mit Ihnen
durchsprechen. Darf ich mir also eine kurze Mitentscheidung von Ihnen
erwarten ob Ihnen An eine Störung zu Anfang oder Ende der Woche weniger
beschwerlich wäre.
Mit herzlichem Gruß
Ihr ergebener
FrW.
Soviel ich weiß ist paßt Ihnen für Besprechungen ja wol die Zeit nach ab Donnerstag eher besser als
vorher Donnerstag. |
Darf ich eine kurze Mittheilung von Ihnen erwarten ob Sie
diese Woche in Berlin sind. Soviel ich weiß würde Ihnen die Zeit Tage nach Donnerstag besser
für eine eventueleSchreibversehen, statt: eventuelle. Besprechung passen als vorher. Ich möchte nur gerne sicher
sein. Sehe ich Sie nicht etwa gänzlich zu verfehlen
[2. Abgesandter Brief:]
Sehr geehrter Herr Harden!
Mit der Braut von Messina will es nicht vorwärts gehenWedekind hatte, angeregt durch den Besuch einer Vorstellung von Friedrich Schillers Trauerspiel „Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder“ am 2.8.1909 – „Mit Tilly und Frau Durieux Braut von Messina“ [Tb] – im Münchner Künstlertheater in der Inszenierung Max Reinhardts, damit begonnen, vom 3. bis 7.8.1909 einen Aufsatz „Braut von Messina“ [KSA 5/II, S. 322-324] zu konzipieren [vgl. KSA 5/III, S. 108-111], den er nach der Aufforderung, einen Beitrag für die „Zukunft“ zu liefern [vgl. Maximilian Harden an Wedekind, 3.12.1911], wieder aufnahm [vgl. KSA 5/II, S. 428; KSA 5/III, S. 111-113], der aber Fragment blieb.. Das
hat seinen guten Grund. Nach der Aufführung von „Oaha“ glaubten Dr. Robert und
ich, die Polizei werde das VerbotDie von Eugen Robert, Direktor des Lustspielhauses in München [vgl. Neuer Theater-Almanach 1912, S. 558], bei der Zensurbehörde beantragte öffentliche Aufführung von „Oaha“ war am 16.11.1911 abgelehnt worden; nachdem „Oaha“ am 20.12.1911 unter der Regie von Eugen Robert im Lustspielhaus als geschlossene Veranstaltung des Neuen Vereins uraufgeführt worden war, reichte Wedekind am 27.12.1911 bei der Polizeidirektion München erneut ein Gesuch um Freigabe für eine öffentliche Vorstellung ein, das am 10.1.1912 abgelehnt wurde [vgl. KSA 8, S. 606f.]. aufheben, da sich kein Mensch gekränkt
gefühlt hat. Die Polizei denkt abSchreibversehen, statt: aber. nicht daran und das verursacht neue
Scherereien. Diese Scherereien würden mich nun nicht hindern, etwas für die „Zukunft“
zu schreiben, wenn ich einen aktuelleren, fesselnderen | Stoff als die Braut
von Messina hätte. Sie schlugen mir die Zensur selber vorvgl. Maximilian Harden an Wedekind, 3.12.1911.. Was ich aber darüber
schreibe ringe ich mir erst recht nur mit größter Überwindung ab und behellige
dann lieber die TagespresseWedekind hat der Tagespresse zuletzt seinen offenen Brief „Sieben Fragen an den Münchner Zensurbeirat“ [KSA 5/II, S. 426f.] angeboten, die ihn am 29.12.1911 druckte [vgl. Wedekind an Münchner Neueste Nachrichten, 28.12.1911]. damit. Für Proteste und Manifeste hat die „Zukunft“
wol ebenso wenig Sympathie wie ich selber, für den sie leider ein notwendiges
Übel sind.
Nun giebt es aber sicher 100 Dinge, über die zu schreiben
mir die größte Freude und eine anregende | Zerstreuung wäre. Nur glaube ich
müßten Sie und ich uns über diese 100 Dinge einmal gründlich orientieren, über
das was der „Zukunft“ willkommen wäre sowie darüber, wo mein Verständnis
aufhört und ich nicht mitreden kann. Ich kann nur soviel sagen, daß es mir die
größte Freude wäre, regelmäßig mit kleinen BeiträgenWedekind schickte dem Herausgeber der „Zukunft“ dann sein Lied „Mahnung“ [vgl. Wedekind an Maximilian Harden, 20.2.1912]. für die „Zukunft“ zu
arbeiten.
Darf ich eine kurze Mittheilung von Ihnen erwarten, ob Sie
diese WocheWedekind reiste am 10.1.1912 nach Berlin (am 14.1.1912 fuhr er zurück nach München) [vgl. Tb] und besuchte Maximilian Harden am 12.1.1912 (ein Freitag): „Besuch bei Harden.“ [Tb] in Berlin sind. Soviel ich weiß würden Ihnen die Tage nach
Donnerstag besserMaximilian Harden „war Anfang der Woche stets sehr beschäftigt, da er dienstags das jeweilige „Zukunft“-Heft im Einmannbetrieb fertig redigierte.“ [Martin 1996, S. 55] Die Wochenschrift „Die Zukunft“ erschien, jeweils datiert auf den folgenden Samstag, immer freitags. Wedekind wusste, dass Maximilian Harden Verabredungen von Donnerstag bis Samstag besser passten [vgl. Walther Rathenau an Wedekind, 3.10.1905]. | für eine eventuelle Besprechung passen als vorher. Ich wäre
nur gerne sicher Sie nicht etwa gänzlich zu verfehlen oder Ihnen in einem
Augenblick großer Anstrengung lästig zu fallen.
Mit herzlichem Gruß
Ihr ergebener
Frank Wedekind.
München, Prinzregentenstraße 50
5.1.12Wedekind notierte am 5.1.1912: „Brief an Harden“ [Tb]..