A.F.Aniela Fürstenberg, seit 1889 in zweiter Ehe Gattin des Bankdirektors Carl Fürstenberg, Geschäftsinhaber der Berliner Handels-Gesellschaft (Bellevuestraße 6a), „im Sommer Grunewald Königs-Allee 51-55“ [Berliner Adreßbuch 1906, Teil I, S. 559]; sie führte seit 1890 in Berlin einen Salon (im Sommer im Grunewald), in dem Geschäfts- und Finanzleute (etwa Walther Rathenau) sowie Künstlerkreise verkehrten.
Grunewald 29.9.05
51 Königsallee.
Geehrter Herr! –
Ich war gesternam 28.9.1905, in der Vorstellung von Wedekinds „Hidalla“ im Kleinen Theater in Berlin (Premiere: 26.9.1905). in Hidalla und das giebt mir den Muth, mich
mit folgender Bitte an Sie zu wenden. –
– Aus beiliegenden Papierennicht überliefert. werden Sie einigermaßen die Zwecke
unserer Bestrebungen ersehen. –
– Seit 4 Jahren widme ich mich mit einer Anzahl anderer Frauen
der schweren AufgabeHinweis auf caritative Vereinstätigkeit im Rahmen der 1901 gegründeten Zentralstelle für Jugendfürsorge (Geschäftsführerin: Dr. jur. Frieda Duensing) in Berlin (Charlottenstraße 99) [vgl. Berliner Adreßbuch 1906, Teil II, S. 197]. In der Presse ist die „Zentralstelle für Jugendfürsorge“ erwähnt sowie „ein der Zentralstelle angeschlossener Verein – das Säuglingsheim“ [Im Zeichen des Kinderschutzes. In: Berliner Tageblatt, Jg. 34, Nr. 613, 2.12.1905, Morgen-Ausgabe, 1. Beiblatt, S. (2)]; unklar ist, ob es sich bei dem Säuglingsheim – das „von Aniela Fürstenberg betreute Säuglingsheim für uneheliche Kinder in Charlottenburg/Westend“ [Hellige 1983, S. 446] – um den Verein zum Schutz der Kinder vor Ausnutzung und Mißhandlung (Charlottenstraße 99, 2. Stock) [vgl. Berliner Adreßbuch 1906, Teil II, S. 197] handelt., dem unschuldigen Kind. Leben, Gesundheit und vielleicht
auch die Zukunft zu retten,
– Große Erfolge belohnen uns für die große Arbeit. –
– Es fehlt uns Geld. – |
Sehr widerstebend, haben wir uns entschlossen, dem (nachdem
alle anderen Mittel um Geld zu bekommen, gescheitert sind) ein FestDie Presse kündigte für den 29.11.1905 an: „Das große Wohlthätigkeitsfest zum Besten des Säuglingheims, das morgen in der Philharmonie stattfindet, bringt in seinem Programm u. a. neben der Aufführung der lebenden Bilder unter der Leitung von Frl. Rossin-Rosenfeld auch eine Cabaret-Vorstellung, deren Leitung Jacques Burg übernommen hat und die alle Berliner Größen des Cabarets vereint“ [Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 557, 28.11.1905, Morgen-Ausgabe, S. 8]. Wedekind hat nicht teilgenommen, Walther Rathenau ebenfalls nicht, wie er Maximilian Harden am 30.11.1905 in ironischem Ton schrieb: „Gestern abend habe ich [...] in Madame F[ürstenberg]’s Säuglingsfabrik und Engelmacherei spediert (die ich natürlich nicht betreten habe).“ [Hellige 1983, S. 446] zu geben. 29.11.05
in d. Philharmonie Auf dem Programm stehen
musikalische Vorträge ernster und heiterer Natur vorgetragen von nur ganz
erstklassischen Sängern meistentheils aus der hiesigen Oper. –
– Können Sie, wollen Sie, auch in Anbetracht das am 29.11.,
zu erwartenden Publicums,** uns einen Prolog dichtenWedekind hat keinen Prolog gedichtet und die Veranstaltung am 29.11.1905 (siehe oben) nicht besucht. und vortragen? |
Ein ja, von Ihnen, würde für uns den Erfolg bedeuten.
–
– Ich hoffe, verehrter Herr Wedekind,
daß Sie mir auf keinen Fall diese Zeilen übel deuten werden! –
Mit dem Ausdruck aufrichtiger Bewunderung, verbleibe ich,
hochachtungsvoll
Aniela Fürstenberg
** Viele junge Mädchen theilweise Hofgesellschaft Aus dem beiliegenden Festcomité ist die Zusammensetzung des Publicums ersichtlich. – Hoffentlich Ihnen nicht zu wenig sympatischSchreibversehen, statt: sympathisch..
– Achten Sie bitte nur | auf die Unglücklichen, welchen wir das Schicksal zu
erleichtern suchen und nicht auf die Mittel, welche wir brauchen, um zum Zwecke
zu gelangen