Sehr geehrter Herr PfarrerEdmund Holthoff, katholischer Pfarrer, am 23.6.1890 zum Priester geweiht, anschließend Kaplan in der Kreuzkirche in Görlitz, dann als Religionslehrer in Neiße tätig, von 1896 bis 1907 Pfarrer in Kauffung an der Katzbach im Kreis Schönau, seit 1909 in Thiemendorf im Kreis Steinau [vgl. Archiv für schlesische Kirchengeschichte 22 (1964), S. 256], schrieb Wedekind (siehe unten) der Notiz von fremder Hand auf dem vorliegenden Brief zufolge aus Kauffung an der Katzbach (siehe den Hinweis zur Materialität).!
Der Name Holthoff in der Kaiserin v. N.„EUGEN HOLTHOFF, der stärkste Mann der Welt“ [KSA 3/I, S. 58], umworbene Artistenfigur in Wedekinds Tanzpantomime „Die Kaiserin von Neufundland. Große Pantomime in drei Bildern“ (1897), die Anfang „1897 entstanden“ [KSA 3/II, S. 777] ist und im selben Jahr in der Sammlung „Die Fürstin Russalka“ (1897) im Albert Langen Verlag erschien. Sie wurde am 12.3.1902 in München bei den Elf Scharfrichtern mit Heinrich Kunolt in der Rolle des Athleten Eugen Holthoff uraufgeführt [vgl. KSA 3/II, S. 794, 797]; weitere Aufführungen kamen nicht zustande. ist ein
reiner Zufall. Der stärkste Mann der mir Modell gestanden hieß LombergEwald Lomberg, Ringer und „Champion der Kettensprenger“ [Signor Salterini: Bomberg, der Athlet. In: Innsbrucker Nachrichten, Jg. 56, Nr. 50, 3.3.1909, S. 1], war der Partner von Bernhard Leitner (siehe unten): „Von Athleten und Ringkämpfern, die sich in neuerer Zeit einen Namen gemacht, seien erwähnt: [...] Ewald Lomberg und Bernhard Leitner“ [Saltarino 1895, S. 31]. „Die Leistungen [...], wie die von Lomberg und Leitner, sind [...] zur Genüge bekannt“ [A.St.: Elberfelder Athleten. In: Internationale Illustrierte Athleten-Zeitung, Jg. 4, Nr. 120, 21.4.1895, S. 3]. Willy Rudinoff habe von Ewald Lomberg als Vorbild für die Figur in der Pantomime „Die Kaiserin von Neufundland“ (siehe oben) erzählt: „Der Held der Handlung gehörte zu der ‚Salon-Athlethen- und Kettensprenger-Nummer; Lomberg und Leitner, genannt: die deutschen Eichen‘. Beide waren gut gewachsene, ‚schöne‘ Männer. Leitner, ein Rheinländer, ‚brach unter dem Sturm der Liebe zusammen, von dem sein Leben durchbraust wurde‘. Lomberg, weniger intelligent, verheiratete sich in Wiesbaden mit einer sehr reichen Witwe, die dann wahnsinnig wurde.“ [‒tt‒: Wedekind und Rudinoff in Zürich. In: Neue Zürcher Zeitung, Jg. 162, Nr. 1611, 12.10.1941, Das Wochenende, Nr. 29, S. (7)] und da
ich ihn nicht kompromitirenSchreibversehen, statt: kompromittieren. wollte suchte ich nach einem Namen von ähnlichenSchreibversehen, statt: ähnlichem.
Klang. Ich kenne weder eine Familie noch einen Herrn mit Namen Holtoff. Lomberg
lernte ich in Paris kennenWedekind notierte am 21.12.1892 in Paris über die Athleten Ewald Lomberg (siehe oben), den er bereits hier Holtoff nannte, und Bernhard Leitner (siehe unten), die er über Willy Rudinoff kennengelernt hatte: „Leitner und Holtoff sind die beiden stärksten Männer der Welt und im Casinó d. P. engagirt [...]. Holtoff setzt sich an unsern Tisch. Er ist ein schöner Mensch mit der einem starken Manne eigenen harmlos-selbstgefälligen Kindlichkeit. Er erzählt wie sie sich beim Austritt aus dem Casino mit Fäusten der Weiber hätten erwehren müssen. Zu fünf und zwanzig seien sie über sie hergefallen ... Hübsch, die Pariserinnen – was? – Er ist aus Elberfeld, war Handelsreisender wie Leitner auch.“ [Tb] wo er mit einem anderen stärksten Mann, dem
KettensprengerKettensprengen war „ein Tric, den zuerst der Elberfelder Bernhard Leitner im Jahre 1890 dem Publikum zeigte.“ [Saltarino 1895, S. 38] Eine Zirkusreklame hat ihn entsprechend beworben: „Herr Leitner, erster original Kettensprenger, welcher durch Anspannung der Arm- und Brustmuskeln eiserne Ketten sprengt.“ [Pester Lloyd, Jg. 38, Nr. 150, 2.6.1891, S. (7)] „Der Salon-Athlet Bernhard Leitner [...] entwickelte im Zersprengen von eisernen Ketten [...] eine staunenswerthe Kraft.“ [Leipziger Tageblatt, Jg. 90, Nr. 418, 18.8.1896, Morgen-Ausgabe, 3. Beilage, S. 6024] Leitner auftrat, der sich auch als Schriftstellerals Verfasser einer Autobiografie [vgl. Bernhard Leitner: Wie wurde ich stark? Düsseldorf 1897], verfasst von „Bernhard Leitner, dem bekannten Kraftmenschen und Kettensprenger“ [Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Nr. 46, 25.2.1897, S. 1507]. betätigte.
Lomberg war | das Weltkind und Leitner der Philosoph.
Sie können sich denken, geehrter Herr Pfarrer,
daß mir Ihr Interesse für meine Arbeiten eine ganz außergewöhnliche,
unerwartete Freude war. Darf ich Ihnen gestehen daß seit meiner
Konfirmationszeit die Beschäftigung mit religiösen Fragen für mich geradezu
eine Leidenschaft war. So frei ich auch immer mit Bibelcitaten umgegangen bin,
glaube ich doch nicht, daß sich in meinen Arbeiten ein einziger Ausfall gegen
die Religion findet.
Ihren freundlichen Grußnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Edmund Holthoff an Wedekind, 5.7.1910. erwidere ich mit
Vergnügen und bin
in vorzüglicher Hochschätzung
Ihr ergebener
Frank Wedekind.
München Prinzregentenstr. 50
6.7.10.