München,
24.III.17
Mein liebster Frank,
vielen Dank für Deinen lieben Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 22.3.1917. u. die Karte an Pamelanicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Pamela Wedekind, 22.3.1917..
Ich bin sehr froh, dass alles angekommen ist. Das eine Päckchen Butter u.
ZwibackSchreibversehen, statt: Zwieback. hat AnnaAnna Wölfel, das „Haus- und Kindermädchen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 334] schon vor einer fast zwei
Wochen geschickt, es dauert jetzt eben oft lang. Wenn Du noch etwas willst
bitte schreib es mir rechtzeitig. Ich hoffte, Du lässt die Butter nicht
ranzig werden, sondern isst sie lieber „fingerdick“ aufgestrichen. Du kannst
Dir vielleicht Brot kaufen im | Laden meine ich, da wirst Du mehr bekommen.
Reichst Du denn mit den MarkenLebensmittelmarken.? Und giebtsSchreibversehen, statt: gibt’s (gibt es). noch Nüsse? Das würde ich Dir sehr
raten. In GrazTilly Wedekind war vom 7. bis 13.3.1917 bei ihrer Familie in Graz. gab’s Unmenge, hier nichts mehr.
Die KorrekturenWedekind hatte seine Frau gebeten, Korrekturen der Bühnenausgabe von „Frühlings Erwachen“ an den Georg Müller Verlag zu schicken [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 22.3.1917]. gehen heute an Müller ab.
Dr. Friedenthal telephonierte neulichJoachim Friedenthal kann Tilly Wedekind frühestens am 16.3.1917 telefonisch erreicht haben, als sie aus Graz zurück wieder in München war (sie reiste über Wien und Prag). wegen des Hilfsdienst„Am 6.12.1916 war das ‚Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst‘ wegen des Mangels an Arbeitskräften sowie wegen der schwierigen Versorgungslage und der drohenden Kriegsniederlage verabschiedet worden. Männer zwischen dem 17. und 60. Lebensjahr, die nicht zum Militär eingezogen waren, konnten nun zwangsverpflichtet werden, in der Rüstungsindustrie oder sonstigen kriegswichtigen Betrieben zu arbeiten.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 344]et/s/
an, ich bat ihn er möchte es Dir selbst schreiben. Aber das ist doch wohl
ausgeschlossen, D/d/ass Du da Arbeit bekämst, nicht wahr? Ich glaube nur
man muss sich melden; Friedenthal wird es Dir | ja geschrieben habenHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben (anzunehmen ist, dass es existierte); erschlossenes Korrespondenzstück: Joachim Friedenthal an Wedekind, 17.3.1917..
Wegen der ImpfungDurch das Impfgesetz vom 8.4.1874 war für Kinder (laut § 1) die verpflichtende „Impfung mit Schutzpocken“ [Reichs-Gesetzblatt, 1874, Nr. 11, S. 31] zum 1.4.1875 eingeführt worden. wollte ich Dich auch noch mal fragen; aber
ich glaube bei Dir ist es damals bei Kriegsausbruch ganz richtig verlaufen. Die meisten Leute lassen sich impfen,
wegen der Pocken GefahrIn der Presse war zu lesen: „Pockenfälle in München lenken die allgemeine Aufmerksamkeit wieder auf eine Krankheit, die in Deutschland nahezu völlig zum Verschwinden gebracht worden ist.“ [Die Pocken und ihre Verbreitungsweise. In: Münchner Neuste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 139, 18.3.1917, General-Anzeiger, S. 5].
Gestern war ich bei Langheinrich’szum Jour fixe freitags bei Max und Anna Langheinrich (Friedrichstraße 34, 2. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 407] – so auch am 2.3.1917 [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 3.3.1917]. wo ziemlich die gleiche Gesellschaft
war. Es wurde viel musiziert, auch getanzt. Alle lassen Dich grüßen. Alles
hofft, dass Du bald mit der Guitarre hinkommst.
Nächsten Freitag wird’s wohl noch nicht sein, aber übernächsten vielleicht?
Langheinrich | selbst war auch da. Scharf’s, Graefe’s, Kern’s, Frau Dressler u.
Nichtenicht identifiziert; ein Fräulein Hofmann [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 16.11.1917]., Dir. Dissel’s u. noch ein Ehepaar Hiendlnicht identifiziert., glaub ich.
Tagsüber u. heute auch, war ich mit den Kindern. Es schneit bei
uns u. ist ganz winterlich. Mein
Katarrh ist besser. Den Kinder gehts Gottlob sehr gut.
Wie war’s bei MeinhardWedekind notierte am 23.3.1917: „Zum Thee bei Meinhard mit Bernauer“ [Tb]; er war – wie Rudolf Bernauer – zu Besuch bei Carl Meinhard (Charlottenstraße 90-92) [vgl. Berliner Adreßbuch 1917, Teil I, S. 1878] und sprach insofern mit beiden Direktoren des Theaters in der Königgrätzer Straße, wo er in der „Erdgeist“-Inszenierung ein Gastspiel hatte.? Bei BarnowskyWedekinds Einakter „Der Kammersänger“ hatte am Deutschen Künstlertheater in Berlin (Direktion: Victor Barnowsky) [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1918, S. 298] am 24.3.1917 zusammen mit zwei weiteren Stücken Premiere, wie angekündigt war: „Im Deutschen Künstlertheater findet am 24. März ein Einakterabend deutscher Autoren statt. Zur Aufführung gelangen: Frank Wedekinds ‚Kammersänger‘ mit Ferdinand Bonn [...], Arthur Schnitzlers ‚Komtesse Mizzi‘ [...], Ludwig Thomas ‚Erster Klasse‘“ [Berliner Tageblatt, Jg. 46, Nr. 149, 22.3.1917, Abend-Ausgabe, S. (3)]. Ferdinand Bonn, Schauspieler am Deutschen Künstlertheater und am Lessingtheater [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1918, S. 299], spielte in Wedekinds Einakter die Titelrolle. wurde ja Kammersänger gespielt
oder bei Reinhard/tWedekinds Einakter „Der Kammersänger“ war zuletzt im Sommer 1914 an den Berliner Bühnen Max Reinhardts gespielt worden./? Bonn muss doch gut sein. Siehst Du es an?
Warum geht es Dir nur „soweit“ gutBriefzitat: „Mir geht es soweit gut“ [Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 22.3.1917]; Anspielung auf Wedekinds angeschlagene Gesundheit, die er bei seinen Gastspielauftritten in der „Erdgeist“-Inszenierung spürte, so am 21.3.1917: „Erdgeist 6 fühle mich sehr schwach.“ [Tb]? Ich wünschte, dass es
Dir sehr, sehr gut geht! Wann ist die letzte Vorstellung? Sei innig geküsst
Liebster von Deiner Tilly
BusserlnKüsse. v. d. Kindern.