Sehr verehrter Herr WolffTheodor Wolff, Chefredakteur des „Berliner Tageblatt“ [vgl. Kürschners Deutscher Literatur-Kalender auf das Jahr 1908, Teil II, Sp. 1865], Vetter des Verlegers Rudolf Mosse, zu dessen Zeitungsimperium das auflagenstarke „Berliner Tageblatt“ gehörte; seit 1887 in der Redaktion tätig, dort seit 1907 zuerst innoffiziell Chefredakteur (in Vertretung von Arthur Levysohn, der krank war), dann seit dem 12.4.1908 offiziell (an diesem Tag erstmals auf der Titelseite des „Berliner Tageblatt“ als Chefredakteur genannt). Wedekind dachte an die Zeitung, als er ihm schrieb, wie er am notierte 23.7.1907 notierte: „Brief für Langheinrich ans Berliner Tageblatt.“ [Tb],
Mein Freund, der Münchner Architekt Max Langheinrich hatte
die aus einer Conkurrenzein am 12.3.1906 für den Museumsneubau (siehe unten) ausgeschriebener Architektur-Wettbewerb: „Das Deutsche Museum hat heute einen weiteren Schritt vorwärts getan. Heute erfolgte die endgültige Festlegung des Preisausschreibens betreffend die Errichtung eines Gebäudes für das Museum, das bekanntlich auf dem von der Stadt München überlassenen südlichen Teile der Kohleninsel seine Stätte finden soll. Der öffentliche Wettbewerb gilt für deutsche Architekten einschließlich der Deutsch-Oesterreicher und Deutsch-Schweizer. Drei Preise sind ausgesetzt: zu 15,000 M, 10,000 M und 5000 M. Das Deutsche Museum behält sich die Wahl des mit der Ausarbeitung des endgültigen Projektes sowie mit der Bauleitung zu betrauenden Architekten vor. [...] Die Entwürfe sind bis 20. September 1906 an das Deutsche Museum einzusenden. Das Preisrichterkollegium wird gebildet aus 22 Mitgliedern, von denen 10 dem Vorstand, dem Vorstandsrate und der Baukommission des Museums angehören. 2 von der Stadt München, gleichfalls 2 vom Reichskanzler und die übrigen von den Staatsregierungen von Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Braunschweig, Hamburg und Elsaß-Lothringen ernannt sind.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 59, Nr. 119, 12.3.1906, S. 4] Sieger war der Münchner Architekt Gabriel von Seidl, gewählt vom Verein Deutsches Museum (gegründet am 5.5.1903 in München); dessen Vorsitzender, der Baurat Oskar von Miller, „teilte mit, daß 130 Architekten aus Deutschland, Oesterreich und der Schweiz sich die Bedingungen für die Teilnahme an der Konkurrenz für den Museumsneubau kommen ließen, daß aber nur 31 Entwürfe (24 von München und sieben aus anderen Städten) einliefen. Der Vorstandsrat habe einstimmig beschlossen, daß bei Ausführung des Neubaues die Pläne Gabriel von Seidls zu Grunde gelegt werden sollen.“ [Vom deutschen Museum. Sitzung des Ausschusses vom Deutschen Museum in der Akademie der Wissenschaften. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 59, Nr. 530, 13.11.1906, Morgenblatt, S. 2] hervorgegangenen Pläne zum Deutschen MuseumPläne für das 1903 gegründete und 1906 provisorisch eröffnete Deutsche Museum von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik in München und zwar für dessen „Neubau, Museumsinsel. (Im Entstehen.)“ [Adreßbuch für München 1914, Teil III, S. 141] Bis der Neubau fertig war, waren die Sammlungen in der Abteilung I des Deutschen Museums (Maximilianstraße 26) und in der Abteilung II (Zweibrückenstraße 12) untergebracht. Das Richtfest des Museumsneubaus, entworfen von Gabriel von Seidl (er starb am 27.4.1913), der 1906 die Ausschreibung für den Museumsneubau gewonnen hatte (siehe oben), fand 1911, die Grundsteinlegung 1912 statt; die Eröffnung war zunächst für 1915 geplant, wurde dann kriegsbedingt weiter verschoben und erst 1925 realisiert. in München
in der Allgemeinen Zeitung einer KritikDer von Max Langheinrich in der Rubrik „Aus Stadt und Land“ der Münchner „Allgemeinen Zeitung“ (Redaktion: Bayerstraße 57) veröffentlichte Artikel, datiert auf München, den 22.7.1907, macht vor allem auf sicherheitstechnische Mängel aufmerksam, außerdem auf die voraussichtlich mangelhafte Beleuchtung des geplanten Bauwerks, auf schlechte Lüftungsmöglichkeiten und auf andere Mängel in der Bauplanung, die den repräsentativ angelegten Museumsbau wenig benutzerfreundlich gestalten würden [vgl. Max Langheinrich: Das Deutsche Museum in München. In: Allgemeine Zeitung, Jg. 110, Nr. 286, 23.6.1907, S. 3-4]. Das Blatt brachte dazu eine Leserzuschrift: „In Ihrer geschätzten Zeitung Nr. 286 vom 23. Juni erschien ein Artikel über ‚Das Deutsche Museum in München‘ aus der Feder des Architekten Langheinrich, der in technischen Kreisen vielfach lebhaft besprochen wurde. In den sehr sachlich gehaltenen Ausführungen wurden an dem Museumsprojekt des Professors Gabriel v. Seidl mannigfache Ausstellungen in praktischer Hinsicht gemacht. Teilweise sind die Beanstandungen sehr schwerer Natur; so wird unter anderem der Vorwurf erhoben, daß die projektierte Bauanlage keine genügende Sicherheit gegen Feuersgefahr biete. Dieser einzige Punkt würde schon, falls er sich als begründet erweisen würde, genügen, in die weitesten Kreise Beunruhigung zu tragen. Die Vorstandschaft des ‚Deutschen Museums‘, die sich aus anerkannten Koryphäen der Wissenschaft und Technik zusammensetzt, würde bei dem großen Interesse, das dem für München so bedeutsamen Werke entgegengebracht wird, sich allgemeinen Dank vieler erwerben, wenn sie die in dem Langheinrichschen Artikel erhobenen Vorwürfe doch in der Öffentlichkeit entkräften wollte.“ [Das Deutsche Museum in München. In: Allgemeine Zeitung, Jg. 110, Nr. 308, 6.7.1907, Vorabendblatt, S. 4]. unterworfen. Der Inhalt seiner Kritik
wurde von der Baukommission bei der daraufhin vorgenommenen Abänderung der Pläne ausgenutzt, der Autor aber wurde der Öffentlichkeit
gegenüber systematisch totgeschwiegen. Herr Langheinrich setzte diesen
Thatbestand in einem sachlich gehaltenen Referat auseinander, das er wiederum
in einer/m/ Münchner Blatte zu
veröffentlichen wollte/gedachte/. Ich riet ihm aber, da das Deutsche
Museum in München doch in erster Linie/ein in erster/ | eine/Linie/
Deutsches Unternehmung/en/
ist, sich an ein Blatt von allgemein deutscher BedeutungAnspielung auf offizielle Verlautbarungen zur Grundsteinlegung wie zum Beispiel: „Das Deutsche Museum hat den Zweck, als ein Museum von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik die historische Entwicklung der naturwissenschaftlichen Forschung, der Technik und der Industrie in ihrer Wechselwirkung darzustellen und ihre wichtigsten Stufen insbesondere durch hervorragende und typische Meisterwerke zu veranschaulichen. Es ist eine deutsche Nationalanstalt, bestimmt, dem gesamten deutschen Volke zu Ehr’ und Vorbild zu dienen.“ [Das Deutsche Museum. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 59, Nr. 524, 9.11.1906, Morgenblatt, S. 2] zu wenden und empfahl
ihm zu aller erst das „Berliner Tageblatt“ um gastliche Aufnahme zu
bitten. Herr Langheinrich bat bittet
mich darauf nun, für den Fall daß ich
persönliche BeziehungenWedekind kannte den späteren Chefredakteur des „Berliner Tageblatt“ seit seiner Zeit in den 1890er Jahren in Paris, was Theodor Wolff unmittelbar nach Wedekinds Tod an versteckter Stelle – ein Nachruf ohne entsprechende Überschrift (unter der Verfassersigle „T.W.“ bildet er den Rahmen eines ansonsten zeitpolitischen Leitartikels) – publik machte [vgl. Berliner Tageblatt, Jg. 47, Nr. 128, 11.3.1918, Montags-Ausgabe, S. (1)]. Wedekind hat Theodor Wolff dem Tagebuch zufolge zuletzt am 12.4.1907 in Berlin gesehen („bei Steinert mit [...] Theodor Wolff“), dann wieder am 28.7.1908 („Mit [...] Theodor Wolff [...] bei Steinert“). zu einem der Herrn Redakteure des „Berliner
Tageblattes“ hätte habe, ihm einige empfehlende Worte der Empfehlung
mitzugeben. Indem ich diese Bitte erfülle hoffe ich meine „persönlichen
Beziehungen“ damit nicht zu überschätzen auch wenn das Berliner
Tageblatt aus irgendwelchem Grunde nicht in der Lage ist, den Artikel
aufzunehmenEin Artikel von Max Langheinrich im „Berliner Tageblatt“ ist nicht ermittelt. Nachweisbar sind lediglich kleine redaktionelle Meldungen zum Bauprojekt des Deutschen Museums in München..
Ich freue mich sehr darauf, geehrter Herr Wolff, im
kommenden Winter |
vielleicht öfter Gelegenheit zu haben, in Ihrer Gesellschaft die gegenwärtigen
und kommenden Fügungen, die uns das Leben interessant machen, erörtern zu hören
Mit ergebenstem Gruß
Ihr
Frank Wedekind.