Da SieChefredakteur des „Berliner Tageblatt“ war seinerzeit Arthur Levysohn, verantwortlich für das Feuilleton Fritz Engel. vor etwa vierzehn Tagen unter der Marke „Dichter
heraus“ die Notizsie lautet: „Was das Ueberbrettl kann, ist schließlich auch den Brettern, die die Welt bedeuten, möglich. Der Versuch, den Dichter am Abend der Erstaufführung seines Stückes vor Beginn der Vorstellung vor die Rampe treten, ihn von sich, von seinem neuen dichterischen Erzeugniß, von seiner Weltanschauung überhaupt plaudern zu lassen und so eine persönliche Verbindung zwischen Publikum und Darbietung herzustellen, soll zuerst in Berlin im Residenz-Theater von Direktor Lautenburg unter Doktor Martin Zickels Leitung gemacht werden. Frank Wedekind wird als erster Dichter, der über sich selbst eine Conference abhält, vor dem Vorhang erscheinen, und zwar bei der noch im Anfang der Saison stattfindenden Premiere seines ‚Marquis von Keith‘. Wedekind wird sicher seine Person zur Geltung bringen. Er läßt gewiß kein Wort unter den Tisch fallen. Auch d’Annunzio wußte sich ins rechte Licht zu stellen. Man muß sowohl dem aufzuführenden Autor wie dem Publikum dringend wünschen, daß diese fragwürdige Neuerung sich nicht durchsetzen möge, – sie kann der Kunst nur Schaden zufügen!“ [Die Dichter heraus! In: Berliner Tageblatt, Jg. 30, Nr. 439, 30.8.1901, Morgen-Ausgabe, S. (3)] brachten, ich hätte die Absicht, vor der Aufführung meines
„Marquis von Keith“ selber eine sogenannte „Conférence“ vor dem Publikum zu
halten (eine Geschmacklosigkeit, die keinem Menschen auf dieser Welt ferner
liegt als mirIm verschollenen abgesandten Brief folgte hier Wedekinds Abschrift zufolge der Text: „und da ich fürchten muß, daß Sie gegenwärtig mit ähnlichen Notizen über meine Absichten behelligt werden, so erlaube ich mir, mit der Bitte um eventuelle Veröffentlichung“ [Wedekind an Martin Zickel, 21.10.1901].), so erlaube ich mir, mit der Bitte um Veröffentlichung, Sie von
folgenden Thatsachen in Kenntniß zu setzen:
Im Laufe dieses Sommers trat Herr Dr. Zickel mit einem
Antrag, betreffend mein persönliches Auftreten am Central-Theater, an mich
heran. Ich ging auf den Antrag ein unter der einen von mir als unerläßlich
geforderten Bedingung, daß Herr Dr. Zickel zu Beginn dieser Saison in Berlin
eine Aufführung meines Stückes „Marquis von Keith“ veranstalte. Herr Dr. Zickel
stellte mir diese Aufführung auch mit so unverbrüchlicher Sicherheit in
Aussicht, daß ich mich herbeiließ, den mir vom Centraltheater angebotenen
Kontraktnicht überliefert; Wedekind hat sich empört über den Vertrag geäußert und auch daraus zitiert [vgl. Wedekind an Martin Zickel, 20.5.1901]. zu unterzeichnen. Bald darauf erhielt ich von Herrn Dr. Zickel auch
schwarz auf weiß die Benachrichtigung, daß der „Marquis von Keith“ vom Residenztheater zur Aufführung angenommen
sei. Dieselbe Nachricht brachte Ihr geehrtes Blatt in der oben erwähnten Notiz
„Dichter heraus“. Da sich diese Thatsache nun aber als unrichtig erweist, da
mein „Marquis von Keith“ vom Residenztheater nicht
zur Aufführung angenommenDie Uraufführung des „Marquis von Keith“ fand unter der Regie von Martin Zickel, Regisseur am Berliner Residenztheater (Direktion: Sigmund Lautenburg) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1902, S. 251], am 11.10.1901 doch im Residenztheater statt; annonciert war: „Marquis von Keith schildert in einer Reihenfolge geistsprühender Szenen eine Schicht der Münchener Gesellschaft. Das Schauspiel ist ein modernes psychologisches Sittenbild voll leidenschaftlich pulsierenden Lebens in allermodernster Form, wie sie von Frank Wedekind erst geschaffen worden ist. Marquis von Keith gelangt am Freitag, den 11. Oktober am Residenztheater zur Erstaufführung.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 30, Nr. 513, 9.10.1901, Morgen-Ausgabe, 1. Beiblatt, S. (3)] ist, habe ich die Direktion des Central-TheatersDirektor des Central-Theaters in Berlin war José Ferenczy [vgl. Neuer Theater-Almanach 1902, S. 255], der es als Operettentheater am 14.8.1898 auch eröffnet hat.
ersuchtHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an José Ferenczy, 18.9.1901., den durch Vermittelung des Herrn Dr. Zickel mit mir abgeschlossenen
Vertrag zu lösenDas „Berliner Tageblatt“ verwies wenige Tage später auf diesen Punkt in Wedekinds Brief: „Wie erinnerlich sein wird, theilte Frank Wedekind in einem Briefe an unsere Redaktion mit, daß er von dem Vertrage mit dem Central-Theater wieder zurückgetreten sei, weil er Werth darauf lege, in Berlin nicht nur mit heiteren Gaben, sondern gleichzeitig auch als ernster Schriftsteller zu Worte zu kommen.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 30, Nr. 494, 28.9.1901, Abend-Ausgabe, S. (3)]. Maßgebend ist mir dabei die Thatsache, daß ich zu viel
Respekt vor dem Berliner Publikum hege, als daß ich mich ihm lediglich mit
meinen „Brettl-Liedern“ präsentiren möchte, wenn
mir nicht zugleich auch Gelegenheit geboten ist, mich ihm von meiner künstlerisch sowohl wie moralisch ernsten Seite vorzustellen.