Lieber Max!
ich hätte Dir gesternder 28.10.1908, an dem abends allerdings kein Auftritt der Schwestern Wiesenthal (siehe unten) stattfand, wie Wedekind wohl irrtümlich angenommen und mit Max Halbes Besuch der Vorstellung gerechnet hatte. schon
geantwortetauf Max Halbes Brief über einen Brief an ihn von Leonor Goldschmied [vgl. Max Halbe an Wedekind, 27.10.1908]. wenn ich nicht gedacht hätte, wir würden uns vielleicht
bei den WiesenthalsDie Wiener Tänzerinnen Elsa, Bertha und Grete Wiesenthal gastierten mit großem Erfolg im Münchner Schauspielhaus [vgl. Die Schwestern Wiesenthal. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 61, Nr. 500, 25.10.1908, S. 3]. Wedekind hatte sie bereits am 15.2.1908 in Berlin gesehen: „Die Tänzerinnen Wiesenthal treten auf.“ [Tb] In München besuchte zunächst seine Frau am 23.10.1908 eine Vorstellung: „Tilly geht in die Wiesenthalmatinée“ [Tb], dann sah er mit ihr zusammen am 26.10.1908 die Tänzerinnen auf der Bühne: „Mit Tilly bei den Wiesenthals.“ [Tb] Am Münchner Schauspielhaus, wo Wedekinds „Musik“ im Spielplan war, wurde für den 27.10.1908 kurzfristig ein Auftritt der Tänzerinnen im unmittelbaren Anschluss an eine Vorstellung seines Einakters „Der Kammersänger“ gleich zweifach angekündigt (im einen Tag vordatierten Vorabendblatt): „Schauspielhaus. Am Dienstag, 27. Oktober, geht dem Gastspiel der drei Schwestern Wiesenthal nicht ‚Musik‘, sondern ‚Der Kammersänger‘ voran.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 61, Nr. 502, 27.10.1908, Vorabendblatt, S. 2] „Münchner Schauspielhaus. Dienstag, den 27. Okt. Der Kammersänger. Drei Szenen von Frank Wedekind. Hierauf: Die drei Schwestern Wiesenthal. Anf. 7½, Ende 10 Uhr.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 61, Nr. 502, 27.10.1908, Vorabendblatt, S. 4] Entsprechend war im Theaterprogramm dann nach der „Kammersänger“-Vorstellung am 27.10.1908 angezeigt: „Die drei Schwestern Wiesenthal aus Wien mit ihren Tanzdichtungen.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 61, Nr. 503, 27.10.1908, General-Anzeiger, S. 2] Wedekind notierte am 27.10.1908: „Tilly geht zu den Wiesenthals und Kammersänger.“ [Tb] Max Halbe hat für den 27.10.1908 seinen Besuch der Doppelvorstellung festgehalten: „Abends zum Kammersänger u. den Schwestern Wiesenthal. Hübsche anmutige, nicht weiter aufregende Tänze.“ [Tb Halbe, 28.8.1908] Wedekind hat diese Doppelvorstellung nicht besucht; am 28.10.1908 ist kein Auftritt der Tänzerinnen nachzuweisen. treffen. Ich erhielt von Goldschmidt eine Zuschriftnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Leonor Goldschmied an Wedekind, 26.10.1908. Leonor Goldschmied, Schriftsteller in Nikolassee bei Berlin [vgl. Kürschners Deutscher Literatur-Kalender auf das Jahr 1908, Teil II, Sp. 516], hatte in einem Beleidigungsprozess gegen Erich Mühsam Berufung eingelegt und erhoffte sich Unterstützung von Wedekind und Max Halbe [vgl. Max Halbe an Wedekind, 27.10.1908]., in der
er mir mitteilte daß er auch an dich geschrieben hätte und
wenn ich mich recht | erinnre eine Abschrift seines Briefeseine Abschrift von Leonor Goldschmieds Brief an Max Halbe (nicht überliefert). beilegte.
Das Ganze verbreitete aber einen so üblen durchdringenden Geruch daß
ich es möglichst rasch in den Ofen steckte. Von dem InhaltDer Inhalt des verschollenen Schreibens von Leonor Goldschmied an Wedekind (siehe oben) dürfte dem des ebenfalls nicht überlieferten Schreibens an Max Halbe entsprochen haben, aus dem Max Halbe zitierte [vgl. Max Halbe an Wedekind, 27.10.1908]. ist mir nichts in
Erinnerung.
Neulich Abendam 24.10.1908, an dem Wedekind nach der Vorstellung seines Stücks „Musik“ am Münchner Schauspielhaus [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 61, Nr. 499, 24.10.1908, General-Anzeiger, S. 2] mit dem Ehepaar Cohn (siehe unten) das Hoftheater-Restaurant besuchte: „Abends im Theater um die Vorstellung zu korrigieren. [...] Nachher im HTR mit Cohn und Frau“ [Tb]. hoffte ich Dich
noch zu sprechen da Dr. Cohn und FrauDr. med. Max Cohn, praktischer Arzt und Geburtshelfer in München (Schwanthalerstraße 95) [vgl. Adreßbuch für München 1908, Teil I, S. 76], und seine Frau Gisela Cohn (geb. Schwarz). Wedekind, der das Ehepaar am 24.10.1908 im Münchner Hoftheater-Restaurant getroffen hat (siehe oben), hatte dort mit ihm am 14.1.1905 einen Abend verbracht: „Mit Dr. Cohn und Frau im Hoftheaterrestaurant.“ [Tb] sich nur auf einen Moment zu mir
gesetzt hatten. Ich bedauerte sehr | daß es nicht dazu kam.
Mit besten Grüßen
Dein
Frank Wedekind.
29.10.8.