JS.
16. November 09.
Lieber Freund!
In der Angeleng/ge/nheit des Herrn Rowohlt
erhielt ich Deinen Brief vom
13. d. M.vgl. Wedekind an Kurt Hezel, 13.11.1909. und möchte, bevor ich auf den Inhalt desselben in sachlicher
Beziehung eingehe, die Gelegenheit wahrnehmen, um Dir folgendes zu erklären:
Als
Herr Rowohlt mich aufsuchte, und mich darum bat, seine Interessen in der jetzt
schwebenden Angelegenheit wahrzunehmen, war mir lediglich die Tatsache bekannt,
dass einzig und allein Frau Strindberg
Ansprüche an die ManuskripteDer Münchner Rechtsanwalt Wilhelm Rosenthal hatte mit Brief vom 23.10.1909 Eigentumsansprüche seiner Mandantin Frida Strindberg an den Wedekind abhanden gekommenen und vom Leipziger Verleger Ernst Rowohlt angekauften Manuskripten angemeldet. Daraufhin beauftragte Ernst Rowohlt mit der Wahrung seiner Interessen den Leipziger Rechtsanwalt Kurt Hezel, der mit Brief vom 28.10.1909 Wilhelm Rosenthal darüber informierte, dass sein Mandant die Ansprüche Frida Strindbergs ablehne [vgl. Vinçon 1989, S. 444].
machte. Aus diesem Grund habe ich kein Bedenken getragen, das Mandat zu
übernehmen. Ein Konflikt zwischen meinen freundschaftlichen BeziehungenMit Kurt Hezel war Frank Wedekind seit seiner Leipziger Zeit im Winter 1897/98 eng befreundet. zu Dir einerseits und den
Interessen des Herrn Rowohlt andererseits, war zu dieser Zeit noch nicht vorhanden,
im Gegenteil hoffte ich, unter Bezugnahme auf diese rein persön|lichen
Beziehungen die Angelegenheit im allseitigen Interesse fördern und aufklären zu
können. Gerade diese letztere Erwägung bestimmte mich sogar mit dazu, das
Mandat für Herrn Rowohlt zu übernehmen.
Ich
schildere Dir diesen Sachverhalt deshalb, weil es nach der zuletzt gepflogenen Korrep/s/pondenzvgl. Wedekind an Ernst Rowohlt, 9.11.1909 sowie Wedekind an Kurt Hezel, 13.11.1909.
fast den Anschein hat, als ob es demnächst in der Tat zu dem vorerwähnten
Konflikte kommen könnte. Es bedarf wohl meinerseits keiner besonderen Erklärung
darüber, dass so+l++/bald/ dieser Konflikt tatsächlich eintritt, ich Herrn Rowohlt
bitten werde, mich von der weiteren Wahrnehmung seiner Interessen zu entbinden.
Diesen Konflikt möchte ich, und zwar, wie ich glaube, im allseitigen Interesse,
vermeiden und bitte Dich daher, mich lediglich als ganz neutralen Dritten
anzusehen, insoweit es sich um einen Gegensatz zwischen Deinen und den
Interessen des Herrn Rowohlt handelt.
In der
Sache selbst habe ich nun folgendes zu sagen, und zwar bitte ich Dich, die
nachfolgenden Ausführungen meinerseits als vollkommen objektive ansehen zu
wollen.
IchDie Korrektur wurde maschinenschriftlich direkt auf dem Kohlepapierdurchschlag ausgeführt.
wiedeIch
wid+++ zwar zunächst, dass zuerst au/rhole zunächst, dass zuerst Ansprüche auf/ | die Manusp/k/ripte
ausschliesslich Frau Strindberg gemacht und dass Herr Rechtsanwalt Dr. Rosenthal mir und meinem
Auftraggeber geschrieben hat, dass sie die in Frage kommenden Manuskripte von Dir geschenkt
erhaltenDiese Aussage revidierte Frida Strindberg später in einem Privatbrief an Ernst Rowohlt, in dem sie um „Rückerstattung von Herrn Wedekinds Eigentum“ bat und versicherte, dass sie die Manuskripte „vor 6-7 Jahren in einem massiven Koffer mit Doppelschloss der Grfin. Reventlow, München, zur Aufbewahrung anvertraut hatte, als ich verreiste u. die ich seit 4 Jahren im Besitz Herrn Wedekinds wähnte, den ich gebeten hatte, sie an sich zu nehmen.“ [Frida Strindberg an Ernst Rowohlt, London 14.[12].1909. Monacensia/Stadtbibliothek, Nachlass Frank Wedekind, Sign.: L 2934]. habe. Herr Rechtsanwalt Dr. Rosenthal hat dann weiterhin von
einer mit Frau Strindberg befreundeten
Dame gesprochen und schliesslich
hast Duvgl. Wedekind an Ernst Rowohlt, 31.10.1909. Frau Gräfin Reventlow
mit der Angelegenheit in Verbindung gebracht. Bevor ich nun Deinen letzten Brief hatte,
konnte weder ich, noch mein Auftraggeber der Anso/i/cht sein, dass der/Dir/ persönlich
die Manuskripte gestohlen oder sonst entwendet worden sind. Aus Deinem
Schreiben vom 31. Oktober 1909, welches Du an Herrn Rowohlt persönlich
richtetest, musste ich/vie/lmehr entnommen werden dass Du Deinerseits
die Manuskripte einer dritten Person, sei es der Frau Strindberg, sei es der
Gräfin Reventlow oder sonst Jemand, zur Aufbewahrung übergeben hast und dass
dann diese dritte Person ihrerseits in meinetwegen rechtswidir/ri/ger Weise über
die Manuskripte verfügte.
Hätte
sich der Sachverhalt in der Tat in dieser Weise zugetragen, so wären vom rein juristischen Standpunktenach § 932 BGB Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten.
Deine Ansprüche gegen Herrn Rowohlt nicht | begründet. Dies ist meine
aufrichtige juristische Ueberzeugung, die zu verhehlen ich keinen Anlass habe.
Ich kann deshalb ai/u/ch
die Berechtigung Deiner Vorwürfe gegenüber der Person des
Herrn Rowohlt nicht ganz anerkennen. Denn Du musst doch wohl mit in Erwägung
ziehen, dass Herr Rowohlt durchaus befugt ist, sich auf den rein juristischen
Standpunkt zu stellen und dass er von diesem Gesichtspunkte aus, wenn das Recht
auf seiner Seite ist, keinen Anlass hat, Dir die Manuskripte auszuhändigen. Es
ist lediglich eine Frage des rein persönlichen Empfindens, ob Herr Roo/w/ohlt
die
Rechtsfrage ausser acht lassen und Dir ungeachtet der rie/ei/n
juristischen
Sachlage die Manuskripte auf alle Fälle zur Verfügung stellen will. Auf diesen
letzteren Standpunkt stellt sich Herr Rowi/o/hlt
nicht und man wird ihm hieraus in
moralischer Beziehung durchaus keinen Vorwurf machen können. An dieser Stelle
möchte ich erwähnen, dass Herr Rowohlt gar nicht beabsichtigt, die Manuskripte
zu veröffentlichen, sondern dass er sich einfach als SammlerErnst Rowohlt war Mitglied der Gesellschaft der Bibliophilen. Auf deren Jahrestreffen in München (25.9.1909) hatte er sich mit dem Erwerb der Manuskripte gebrüstet, was Frank Wedekind zu Ohren gekommen war. Vgl. Schardt 2004, S. 534. an diesen für ihn selbstverständlich
höchst wertvollen Manuskripten erfreuen möchte.
Diese
ganze Sachlage würde sich ändern, wenn die Manuskripte, wie Du es in Deinem
letzten Briefe | darstellst, nicht erst einer dritten von Dir mit der
Aufbewahrung der Manuskripte betrauten Person, sondern Dir selbst gestohlen
worden wären. Ich glaube auch nicht daran zweifeln zu sollen, dass Herr RowohlSchreibversehen statt Rowohlt.,
sobald er sich von der Richtigkeit dieser neuen Sachdarstellung überzeugt/e/n
kann, die Manuskripte ohne weiteres zurückgibt, dass Herr Rowohlt sich aber
schon jetzt hierzu bereit erklärt, wirst Du kaum verlangen können. So wenig ich
selbst an der Richtigkeit der jetzt von Dir gegebenen Sachdarstellung zweifele,
so weng/i/g kann ich es Herrn Rowohlt als einem gänzlich Fe+d/Fremd/stehenden zumuten,
sich an Deiner jetzigen Erklärung genügen zu lassen. Vielmehr halte ich es, um
auch meinerseits in die Lage versetzt zu werden, ein nicht nur subjektives,
sondern vokk/ll/kommen objektives Urteil abgeben zu können, für unbedingt
erforderlich, dass die concreten Einzelheiten über das Schicksal der
Manuskripte mitgeteilt werden. Herr Rowohlt muss doch wenigstens die
Möglichkeit haben, die von Dir angegebenen Tatsachen einer Nachprüfung
seinerseits zu unterziehen, gleichgültig, ob er von dieser Möglichkeit Gebrauch
machen | wo/i/ll. Wenn es daher in Deinem Interesse liegt, Dich meiner
objektib/v/en Mitwirkung bei der Regelung der Angelegenheit zu bedienen, so würde
ich Dich darum bitten, mir detailliert mitzuteilen, auf welche Art und Weise die Manuskripte abhanden
gekommen sein können. In dieser Richtung schriebsc/t/ Du in Deinem am 31.
Oktober d. J. an Herrn Rowohlt gerichteten Briefe, dass Du die Manuskripte bei
Deiner plötzlichen Reise nach Zürich in München
zurückgelassen hast, mit der Bitte, sie Dir nach Zürich nachzuschicken. Aus der
Fassung dieses Satzes muss doch geschlossen werden, dass Du die Manuskripte o/i/rgend
Jemand zur Aufbw/e/wahrung übergeben hast oder dass Du Jemand zum Hüter Deiner
Manuskripte und sonstigen Vermögensgegenstände eingesetzt hast. Ich glaube,
dass es viel zur Klärung der Sachlage beitragen würde, wenn Du Dich
entschliessen könntest, concrete Tatsachen in dieser Richtung mitzuteilen.
Ich
gebe übrigens Deinem rein persönlichen Ermessen anheim, Dich mit Herrn Dr.
Rosenthal, der bis jetzt die Angelegenheit in durchaus sachlicher Art und Weise
geführt hat, auch weiterhin in Verbindung zu halten. Ich masse mir
selbstverständlich nicht das Recht | an, Dich in dieser Richtung zu beraten, möchte
es jedoch nicht unterlassen haben, Dir diesen Punkt wenigstens zur Ueberlegung
anheim zu geben.
Ich
darf wohl annehmen, dass Du mich von Deiner Stellungnahme zu diesen
Ausführungen bald benachrichtigst, und begrüsse R/D/ich herzlich als
Dein
PS. Soeben
erhalte ich von Herrn Rechtsanwalt Dr. Rosenthl/a/l in der fraglichen
Angelegenheit einen Bi/r/ief, in welchem er mir unter Anderem folgendes mitteilt:
„Die
Frage, ob Herr Wedekind, oder, wie ich auf Grund Information der Frau
Strindberg annehme, Frau Strindberg Eigentümer der Handschriften ist, scheidet
jedenfalls im Verhältnis zwischen Herrn Wedekind und Herrn Rowohlt aus.“
Diese
Auffassung des Herrn Dr. Rosenthal vermag ich nicht zu teilen. Ich halte es
selbstverständlich für wesentlich, dass auch im Verhältnis zwischen Dir | und
Herrn Rowohlt klar gestellt wird, ob Frau Strindberg irgendwelche
Eigentumsrechte geltend zu machen in der Lage ist.
Wiederholt
empfohlen
D. U.