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Kennung: 4485

Schaffhausen, 15. Dezember 1881 (Donnerstag), Brief

Autor*in

  • Plümacher, Hermann

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

Schaffh – 15 Dez 1881


Lieber Freund Franklin!

Du hast wahrlich Grund bös mit mir zu sein, daß ich dich so schreiben ließ ohne dir eine Antwort zu schicken, doch ist es wahrlich nicht in böser Absicht geschehen u du wirst mir also wohl verzeihen können. Auf dieses hoffe ich nehmlich, u erwarte daß du mir also bald wieder schreiben werdest. Denn wenn ich schon kein Freund vom Schreiben bin, so lese ich doch deine Briefe, sehr gern u ich freue mich d jedesmal wenn ich einige Zeilen von Dir erhalte. Ich habe die Sendungen erhaltenHinweis auf zwei nicht überlieferte Begleitschreiben zu Sendungen (siehe unten). u werde darauf später zurückkommen. Mit dem Briefe der bei dem Revolver warnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Hermann Plümacher, 20.10.1881. hast du mir einen schönen Schrecken eingejagt, zum Glücke ohne Grund | Als ich das Mordinstrument wieder sah, wurde ich zuerst bleich dann roth, das weis ich bestimmt, welch andere Farben ich noch annahm, weis/s/ ich nicht, nur soviel ist sicher daß mir ein Stein vom Herzen fiel als ich es wieder in Händen hatte. Das ist auch ein Grund gewesen warum ich nicht geschrieben habe. Natürlich will ich keinen Schadenersatz, er ist nähmlich schon wieder verkauft, in dem zerbrochenen Zustand für Frs. 4 also habe kein Kummer für mich, nur hatte mich die Rechnung zuerst ein wenig in Verlaegheit gestrürztSchreibversehen, statt: „Verlegenheit gestürzt“.. Ich werde auch deiner Mamma schreiben und sie um Entschuldigung bitten gewiß meint sie ich seinSchreibversehen, statt: „sei“. ein Rabenkerl (und) und wird denken ich habe ihm das Instrument aufgeschwatzt. Doch weiß ich gewiß daß du mich verteidigt hast.

Ich danke dir vielmal für den FaustHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zum zugesandten Buch, eine Ausgabe von Goethes Faust; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Hermann Plümacher, 20.11.1881., er ist sehr schön, geschrieben, ich habe beide TheileGoethes 1808 veröffentlichte Tragödie „Faust“ (auch: „Faust. Der Tragödie erster Theil“ oder: „Faust I“) sowie das postum (1832) erschienene Drama „Faust. Der Tragödie zweiter Theil“ (auch: „Faust II“). |


Wennüber der Zeile ein Textverlust von 6-7 Zeilen; das obere Drittel des Blatts ist herausgerissen. der Goethe, in seinem Faust, Sc schweinereienSchweinereien. – Gemeint sein dürften insbesondere die durch Anstandsstriche gekürzten Wörter und Passagen, wie die Verse des Hexenchors in „Faust I“ (Walpurgisnacht): „So geht es über Stein und Stock, / es f–t [furzt] die Hexe, es st–t [stinkt] der Bock.“ [Goethes Werke (WA), Bd. 14, S. 200 = V. 3960f.] oder (Mephistopheles, Walpurgisnacht): „Einst hatt’ ich einen wüsten Traum; / Da sah ich einen gespaltnen Baum, / der hatt’ ein – – – [ungeheures Loch]; / so – [groß] es war, gefiel mir’s doch.“ [ebd. S. 208 = V. 4136-39] dem die Alte antwortet: „Ich biete meinen besten Gruß / Dem Ritter mit dem Pferdefuß! / Halt’ Er einen – – [rechten Pfropf] bereit, / wenn Er – – – [das große Loch] nicht scheut.“ [ebd. = V. 4140-43] oder auch die Satanszene aus dem Urfaust, die erstmals 1836/37 in den „Paralipomena zu Faust“ veröffentlicht wurde [vgl. Goethe’s Poetische und prosaische Werke, Stuttgart u. Tübingen (4 Bde., 1836/37), Bd. 1.2, 1836, S. 179f.]. sagt, so hat er eine Entschuldigung. DenSchreibversehen, statt: Denn. vom Teufel erwartet man nichts besseres, aber wenSchreibversehen, statt: wenn. Schiller seinen Helden solche Wortevermutlich Passagen in Schillers Drama „Die Räuber“ (1781), wie etwa die derbe Sprache der Räuber (in II,3): „Schweizer. So wollt’ ich doch, daß du im Kloak erstiktest, Drekseele du! Bei nakten Nonnen hast du ein grosses Maul, aber wenn du zwey Fäuste siehst, – Memme, zeige dich izt, oder man soll dich in eine Sauhaut nähen, und durch Hunde verhezen lassen.“ [Schillers Sämmtliche Schriften, T. 2, S. 98] oder auch der Dialog zwischen Amalia von Edelreich und Franz Moor (III,1). eingibt, so (zeig) ist daß nicht mein Geschmack. Entweder war Schiller noch JungSchreibversehen, statt: jung., u es sind seine alten Stücke, dann kann man es verzeihen, oder er ist ein Schw.....

Ich glaube ja gern, daß es solche Zustände damals waren, aber warum beschreiben? Die LiebesanglegenheitSchreibversehen, statt: Liebesangelegenheit. ist flau.

Grüße mir Willi u deine GeschwisterHermann Plümacher unterschied zwischen William Lincoln Wedekind, dem 2 Jahre jüngeren Bruder Frank Wedekinds, und den kleineren Geschwistern Erika (Mieze), Donald und Emilie (Mati). Der ältere Bruder Armin Wedekind wohnte nicht mehr zu Hause, er studierte im zweiten Semester Medizin in Zürich [vgl. Matrikeledition der Universität Zürich 1833-1924, Nr. 6136 (https://www.matrikel.uzh.ch/active/static/23376.htm, abgerufen am 11.5.2023)]. An Weihnachten 1881 dürfte er nach Hause gekommen sein., u vergiß nicht dem reuigen Sünder, der
in Schaffh. weilt zu schreiben.
Tausend Grüße schickt Dir
E. H. Plümacher


[Am rechten Rand um 90 Grad gedreht:]

Dein Buchwohl das ausgeliehene Exemplar von Goethes „Faust“. schicke ich dir bald

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 3 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Kariertes Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 14 x 23,5 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Aus dem hinteren Blatt ist am oberen Rand ein 14 x 7,5 cm großes rechteckiges Stück Papier säuberlich herausgerissen. Der Textverlust auf Seite 3 beträgt 6-7 Zeilen.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Schaffhausen
    15. Dezember 1881 (Donnerstag)
    Sicher

  • Absendeort

    Schaffhausen
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

Erstdruck

Pharus I. Frank Wedekind. Texte, Interviews, Studien

Titel des Aufsatzes:
Frank Wedekind und Hermann Plümacher. Unveröffentlichte Briefe.
Autor:
Manfred Luchsinger
Herausgeber:
Elke Austermühl, Alfred Kessler, Hartmut Vinçon. Editions- und Forschungsstelle Frank Wedekind
Ort der Herausgabe:
Darmstadt
Verlag:
Verlag der Georg Büchner Buchhandlung
Seitenangabe:
426
Briefnummer:
2
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 129
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Hermann Plümacher an Frank Wedekind, 15.12.1881. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Anke Lindemann

Zuletzt aktualisiert

19.02.2024 13:17
Kennung: 4485

Schaffhausen, 15. Dezember 1881 (Donnerstag), Brief

Autor*in

  • Plümacher, Hermann

Adressat*in

  • Wedekind, Frank
 
 

Inhalt

Schaffh – 15 Dez 1881


Lieber Freund Franklin!

Du hast wahrlich Grund bös mit mir zu sein, daß ich dich so schreiben ließ ohne dir eine Antwort zu schicken, doch ist es wahrlich nicht in böser Absicht geschehen u du wirst mir also wohl verzeihen können. Auf dieses hoffe ich nehmlich, u erwarte daß du mir also bald wieder schreiben werdest. Denn wenn ich schon kein Freund vom Schreiben bin, so lese ich doch deine Briefe, sehr gern u ich freue mich d jedesmal wenn ich einige Zeilen von Dir erhalte. Ich habe die Sendungen erhaltenHinweis auf zwei nicht überlieferte Begleitschreiben zu Sendungen (siehe unten). u werde darauf später zurückkommen. Mit dem Briefe der bei dem Revolver warnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Hermann Plümacher, 20.10.1881. hast du mir einen schönen Schrecken eingejagt, zum Glücke ohne Grund | Als ich das Mordinstrument wieder sah, wurde ich zuerst bleich dann roth, das weis ich bestimmt, welch andere Farben ich noch annahm, weis/s/ ich nicht, nur soviel ist sicher daß mir ein Stein vom Herzen fiel als ich es wieder in Händen hatte. Das ist auch ein Grund gewesen warum ich nicht geschrieben habe. Natürlich will ich keinen Schadenersatz, er ist nähmlich schon wieder verkauft, in dem zerbrochenen Zustand für Frs. 4 also habe kein Kummer für mich, nur hatte mich die Rechnung zuerst ein wenig in Verlaegheit gestrürztSchreibversehen, statt: „Verlegenheit gestürzt“.. Ich werde auch deiner Mamma schreiben und sie um Entschuldigung bitten gewiß meint sie ich seinSchreibversehen, statt: „sei“. ein Rabenkerl (und) und wird denken ich habe ihm das Instrument aufgeschwatzt. Doch weiß ich gewiß daß du mich verteidigt hast.

Ich danke dir vielmal für den FaustHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zum zugesandten Buch, eine Ausgabe von Goethes Faust; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Hermann Plümacher, 20.11.1881., er ist sehr schön, geschrieben, ich habe beide TheileGoethes 1808 veröffentlichte Tragödie „Faust“ (auch: „Faust. Der Tragödie erster Theil“ oder: „Faust I“) sowie das postum (1832) erschienene Drama „Faust. Der Tragödie zweiter Theil“ (auch: „Faust II“). |


Wennüber der Zeile ein Textverlust von 6-7 Zeilen; das obere Drittel des Blatts ist herausgerissen. der Goethe, in seinem Faust, Sc schweinereienSchweinereien. – Gemeint sein dürften insbesondere die durch Anstandsstriche gekürzten Wörter und Passagen, wie die Verse des Hexenchors in „Faust I“ (Walpurgisnacht): „So geht es über Stein und Stock, / es f–t [furzt] die Hexe, es st–t [stinkt] der Bock.“ [Goethes Werke (WA), Bd. 14, S. 200 = V. 3960f.] oder (Mephistopheles, Walpurgisnacht): „Einst hatt’ ich einen wüsten Traum; / Da sah ich einen gespaltnen Baum, / der hatt’ ein – – – [ungeheures Loch]; / so – [groß] es war, gefiel mir’s doch.“ [ebd. S. 208 = V. 4136-39] dem die Alte antwortet: „Ich biete meinen besten Gruß / Dem Ritter mit dem Pferdefuß! / Halt’ Er einen – – [rechten Pfropf] bereit, / wenn Er – – – [das große Loch] nicht scheut.“ [ebd. = V. 4140-43] oder auch die Satanszene aus dem Urfaust, die erstmals 1836/37 in den „Paralipomena zu Faust“ veröffentlicht wurde [vgl. Goethe’s Poetische und prosaische Werke, Stuttgart u. Tübingen (4 Bde., 1836/37), Bd. 1.2, 1836, S. 179f.]. sagt, so hat er eine Entschuldigung. DenSchreibversehen, statt: Denn. vom Teufel erwartet man nichts besseres, aber wenSchreibversehen, statt: wenn. Schiller seinen Helden solche Wortevermutlich Passagen in Schillers Drama „Die Räuber“ (1781), wie etwa die derbe Sprache der Räuber (in II,3): „Schweizer. So wollt’ ich doch, daß du im Kloak erstiktest, Drekseele du! Bei nakten Nonnen hast du ein grosses Maul, aber wenn du zwey Fäuste siehst, – Memme, zeige dich izt, oder man soll dich in eine Sauhaut nähen, und durch Hunde verhezen lassen.“ [Schillers Sämmtliche Schriften, T. 2, S. 98] oder auch der Dialog zwischen Amalia von Edelreich und Franz Moor (III,1). eingibt, so (zeig) ist daß nicht mein Geschmack. Entweder war Schiller noch JungSchreibversehen, statt: jung., u es sind seine alten Stücke, dann kann man es verzeihen, oder er ist ein Schw.....

Ich glaube ja gern, daß es solche Zustände damals waren, aber warum beschreiben? Die LiebesanglegenheitSchreibversehen, statt: Liebesangelegenheit. ist flau.

Grüße mir Willi u deine GeschwisterHermann Plümacher unterschied zwischen William Lincoln Wedekind, dem 2 Jahre jüngeren Bruder Frank Wedekinds, und den kleineren Geschwistern Erika (Mieze), Donald und Emilie (Mati). Der ältere Bruder Armin Wedekind wohnte nicht mehr zu Hause, er studierte im zweiten Semester Medizin in Zürich [vgl. Matrikeledition der Universität Zürich 1833-1924, Nr. 6136 (https://www.matrikel.uzh.ch/active/static/23376.htm, abgerufen am 11.5.2023)]. An Weihnachten 1881 dürfte er nach Hause gekommen sein., u vergiß nicht dem reuigen Sünder, der
in Schaffh. weilt zu schreiben.
Tausend Grüße schickt Dir
E. H. Plümacher


[Am rechten Rand um 90 Grad gedreht:]

Dein Buchwohl das ausgeliehene Exemplar von Goethes „Faust“. schicke ich dir bald

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 3 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Kariertes Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 14 x 23,5 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Aus dem hinteren Blatt ist am oberen Rand ein 14 x 7,5 cm großes rechteckiges Stück Papier säuberlich herausgerissen. Der Textverlust auf Seite 3 beträgt 6-7 Zeilen.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Schaffhausen
    15. Dezember 1881 (Donnerstag)
    Sicher

  • Absendeort

    Schaffhausen
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

Erstdruck

Pharus I. Frank Wedekind. Texte, Interviews, Studien

Titel des Aufsatzes:
Frank Wedekind und Hermann Plümacher. Unveröffentlichte Briefe.
Autor:
Manfred Luchsinger
Herausgeber:
Elke Austermühl, Alfred Kessler, Hartmut Vinçon. Editions- und Forschungsstelle Frank Wedekind
Ort der Herausgabe:
Darmstadt
Verlag:
Verlag der Georg Büchner Buchhandlung
Seitenangabe:
426
Briefnummer:
2
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 129
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Hermann Plümacher an Frank Wedekind, 15.12.1881. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Anke Lindemann

Zuletzt aktualisiert

19.02.2024 13:17