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Mein Franklin!
Soeben habe ich die Photographie & die letzten Briefe
meiner aarauer teuflisch-reizenden LaisLais von Korinth, aus Sizilien stammende berühmte Hetäre, befreundet mit Diogenes; – hier ist eine verheiratete Frau aus Aarau gemeint, zu der Oskar Schibler seit dem Sommer 1882 eine Affäre unterhielt und von der nur ihre Initialen („E.v.B“) bekannt sind. verbrennt Schreibversehen, statt: verbrannt. – die Hitze trieb
mir das Blut in den Kopf & der Rauch Wasser aus den Augen. Welch Ironie
zwischen Ursache & Wirkung! Ich habe sie gehalten, sie aber nicht
mich.
Ich trug mich schon lange mit dem Gedanken ein Band
anzuknüpfen, das uns Gelegenheit geben würde zu interessanten,
Wir befinden uns in eine m/r/ Übergangsperiode. Die
nächsten Jahre
Du siehst aus der ganzen Darstellung meiner Idee, dass sie
noch völlig in der Luft schwebt, dass ich etwas ahne & nach etwas strebe,
das mir selbst noch unbewusst vorschwebt; ich habe aber die Überzeugung, dass
mit eiserner Consequenz an ein Ziel gelangt werden kann, das lohnen wird. Gehen
wir also näher ein, scheiden den Geist & denken | vom kommenden Körper
& wenn dies geschehen fragen wir uns, ist der ganze Apparat, Gott, Kirche,
Glaube nothwendig, um zufrieden zu leben & kann nicht vielmehr durch klare
Darlegung des Kernes, der allein durch Ueberzeugung & nicht durch Furcht
& Hoffnung herrschen soll, erreicht werden.
In der letzten Zeit habe ich Grabbe gelesen, denn ich muss einen Vortrag über
ihn halten. Erhabene, schöne Stellen, neben Misthaufen.
Mit dem nächsten Brief folgt wieder ein Band Oskar Schibler hatte Wedekind bisher aus einer Heine Werkausgabe 2 Bände geliehen, darunter Heines „Reisebilder“ [vgl. Wedekind an Oskar Schibler, 25.4.1883 und 28.4.1883]. von Heine, ich selbst habe nur hie & da Zeit ein
wenig darin zu lesen, denn letztenSchreibversehen, statt: die letzten.
14 Tage wars wieder fidel 3 Tage nacheinander Nachmittags im Fass gekneipt, gebumeltin der Schüler- und Studentensprache Bezeichnung für einen Spaziergang mit dem Besuch mehrerer Kneipen. & das nöthigste gethanfür die Schule; Oskar Schibler legte im August 1883 an der Kantonsschule Solothurn die Maturaprüfung ab.. Jetzt hat sich die Arbeit
gehäuft.
Leb wohl in alter Treue Dein
[In der unteren linken
Ecke um 45 Grad gedreht:]
Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben
Solothurn
8. Mai 1883 (Dienstag)
Sicher
Solothurn
Datum unbekannt
Datum unbekannt
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia
Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13
Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.
Oskar Schibler an Frank Wedekind, 8.5.1883. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (26.10.2025).
Anke Lindemann