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Kennung: 139

Stein am Rhein, 15. November 1885 (Sonntag), Brief

Autor*in

  • Plümacher, Olga

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

Stein a/Rh den 15 Nov. 1885


Mein lieber Franklin!

Herzlichen Dank für Deinen lieben interessanten Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Olga Plümacher, 8.11.1885.. Es freut mich Dich wieder in MünchenFrank Wedekind, der die Semesterferien in Lenzburg verbracht hatte, trat – so seine Absicht – erst zu Semesterbeginn am Montag, 2.11.1885, die Rückreise nach München, wo er für Jura immatrikuliert war, an [vgl. Frank Wedekind an Willi Wedekind, 28.10.1884; Frank Wedekind an Bertha Jahn, 9.11.1884]. zu wissen, wo Du so viel zu hören und zu sehen bekommst, was Dir hoffentlich nicht nur für den Moment des Genußes willkommen ist, sondern auch Deiner geistigen und gemüthlichen Entwickelung zu Gute kommen wird. Herzlich leid thut es e/m/ir aber, daß ich nicht das Vergnügen haben konnte Dich auf der Hinreise begrüßen zu können. Wenn Du nun aber das nächste mal nach der Heimath kommst, dann sollst Du mir nicht entgehen, | und wenn ich mich in RomanshornIn Romanshorn trafen die Schweizer Bahnlinien (Lenzburg) Zürich–Romanshorn (1855 eröffnet) und die über Stein am Rhein führende Bodenseelinie Rorschach–Konstanz (1869 eröffnet) mit der Fährverbindung über den Bodensee nach Lindau (Deutschland) zusammen. Von dort ging es für Wedekind mit der Allgäubahn der Königlich Bayerischen Staats-Eisenbahnen über den Knotenpunkt Buchloe weiter nach München. auf die Lauer stellen müßte und Dich wegschnappen. Als Du nach Berlin München reistest, da war ich noch in Berlin, respective in Groß-Lichterfelde bei Berlin, aber allerdings im Begriff abzureisen. Am 29 Oct. reiste ich dort fort und bin am 1 Nov. hier angekommen, recht erkältet durch die ziemlich unangenehme Heimreise. Bin auch seidherSchreibweise Olga Plümachers, statt: seither. unwohl gewesen von Halsweh und Husten geplagt; doch geht es jetzt wieder ganz ordentlich. Mit meiner Reise bin ich in jeder Beziehung zufrieden. Auf dem Hinweg habe ich mich 2x24 Stunden in Heilbronn aufgehalten und Hermann gesund und frohen | Muthes angetroffen. Am 1 Feb. wird er seiner LehreHermann Plümacher machte in Heilbronn eine Kaufmannslehre bei Franz Xaver Steinhauser, Präsenzgasse 16, 1. Stock [vgl. Adressbuch der Stadt Heilbronn a. Neckar 1885, S. 105]. entlaßen, dann wollen wir sehen was die Welt mit ihm anfangen kann. Ich mußte ihm viel von Dir erzählen; wenn seine Schreibefaulheit ihn auch verhindert sich Dir bemerklich zu machen, so bleibt er Dir doch herzlich ergeben und zugethan. Am ersten Tage regnete es den ganzen Tag Bindfäden, am nächsten Tag aber schien die Sonne und wir fuhren hinaus nach Jagstfelde, Wimpfen im Thal und Wimpfen am Berg. Letztere zwei Orte sind interessant und sehr malerisch anzusehen, aber erschrecklich verkommene, verlotterte Ortschaften – da ist Stein a/Rh noch eine herrliche Stätte moderner Cultur gegen dieses | während des 30.jährigen Krieges1618 bis 1648; Wimpfen mit den Ortsteilen Wimpfen im Thal (um 100 nach Christus als römisches Kastell gegründet) – und Wimpfen am Berg (um 1200 Stauferpfalz und mittelalterlicher Bergstadt) war während des Dreißigjährigen Kriegs wiederholt großen Zerstörungen, Brandschatzungen und Plünderungen ausgesetzt, von denen sich der historische Ort erst durch den aufkommenden Bäder- und Kurbetrieb ab Ende der 1860er Jahre erholte. verstorbenen, und seidher im Verwesungsprocesses befindlichen Wimpfen am Berg. Des Abends setzte ich mich in den Schnellzug und war am folgenden Morgen in Berlin und – nachdem ich den ersten Lokalzug versäumte – um 11 Uhr bei Hartmanns. Diese wohnen in der Villencolonie Groß-Lichterfeldeauch Carstenn’sche Villenkolonie genannt; eine der ersten Villenkolonien im Deutschen Reich, enstanden ab 1860 nach dem Vorbild britischer Villenviertel. Eduard von Hartmann wohnte in Großlichterfelde, Marienstraße 7a. in einer hübschen aber durchaus nicht luxuriösen Villa, die sie im Spätsommer gekauft haben, auf behaglichen aber nicht herrschaftlichem Fuße. Ich wurde sehr herzlich aufgenommen und es ist mir grundwohl bei ihnen gewesen, so wohl, daß ich mich immer erst plagen und necken laßen mußte, bis ich mich et entschloß nach Berlin zu gehen, um etwas zu sehen oder zu hören, | Eines war freilich ein Dämpfer auf mein Vergnügen das ich empfand bei meinem lieben Philosophen zu sein: nämlich die Wahrnehmung, daß dieser in den 5 Jahren, wo ich ihn nicht gesehen hatte, um 10 Jahre gealtert war. Geistig und gemüthlich natürlich ganz unverändert und im Besitze einer gerade zu erstaunlichen Arbeitskraft, ist er körperlich doch sehr herunter gekommen; er hat sich von den Folgen der schlimmen OperationEin Sturz, durch den seine schon in jungen Jahren gequetschte Kniescheibe erneut in Miteidenschaft gezogen war, hatte Eduard von Hartmann dazu veranlasst, sich drei – letztlich erfolglosen – Operationen zu unterziehen; er konnte schließlich nur noch liegend arbeiten [vgl. Wilfried Hartmann: Hartmann Eduard von, in: Neue Deutsche Biographie 7 (1966), S. 738 (http://www.deutsche-biographie.de/.html)]., der er sich vor 2 Jahren zu unterziehen hatte, doch nie mehr ganz erholt; er ist eben ein vorzeitig gealterter und kranker Mann, der sein relatives Behaglichfühlen und seine Arbeitsfähigkeit nur bei der größten Sorgfalt und mit Verzicht auf fast allen Lebens|genuß erhalten kann. Die Tagesordnung ist die regelmäßigste und gleichförmigste, und da eine solche, wo sie, wie wie hier gehoben wird durch vollste ungestörteste Heiterkeit und erleuchtet durch Humor und geiste/i/ge Anregungen verschiedener Art, gerade meinen Wünschen und Neigungen entspricht, so war es mir bei ihm so wohl wie einem Engelein beim lieben Gott: so wunschlos und so ohne alles BegerenSchreibversehen, statt: Begehren., ohne alles Fürchten und ohne alle Sorgen lebte ich die Stunden und Tage dahin. Frau v. H.Bald nach dem frühen Tod seiner ersten Ehefrau hatte Eduard von Hartmann die Großkaufmannstochter, Oberlehrerin und philosophische Schriftstellerin Alma Lorenz aus Bremen geheiratet (4.11.1878). ist ein reizendes Weib, die mir mit herzlicher Offenheit entgegen kam und mit der ich mich auf’s beste verstand.

Daß ich da gar kein Verlangen nach den Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt empfand wird Dir begreiflich | sein. Hartmann geht nirgends mehr hin, zuweilen für ein paar Stunden in’s FreiSchreibversehen, statt: Freie. in seinem Rollwagen, das ist alles – so sind wir denSchreibversehen, statt: denn. auch einmal 2 ½ Stunden zusamen herum gezogen und haben die zum Theil höchst verwunderlichen Bauten besehen die jetzt „stilvoll“ errichtet werden. Da gibt es Villen die einer pappendeckligen Ritterburg ähnlich sehen, andere einer indischen Pagode, wieder andere einer Begräbnißkirche im romanischen Bogenstil u.s.w. u.s.w. Dazwischen hinein auch wieder viel hübsches und klug ausgedachtes, besonders solche bescheidenere Gebäude, die eben nichts anderes sein scheinen wollen als was sie sind: ein behagliches Heim für den wohlhabenden Mittelstand. – | Mit Frau v. H. war ich ein paar Mal in der Stadt und habe das Kunstgewerbe-MuseumÜber das Museum – heute unter dem Namen Martin-Gropius-Bau bekannt – heißt es im Anhang II („Statistik und Sehenswürdigkeiten von Berlin“) des Berliner Adreßbuchs: „Das Kunst-Gewerbe-Museum, Königgrätzerstr. 120. Die Sammlung ist in 36 Sälen aufgestellt und täglich, Montags ausgenommen, von 10-3 Uhr, Sonntags von 12-3 Uhr geöffnet. Das Museum umfaßt bedeutende Sammlungen von Möbeln u. Holzarbeiten, Stickereien und Webereien, Metallarbeiten, Erzeugnissen der Keramik, Gläsern etc. und von Gipsabgüssen, sowie eine aus 26 Klassen bestehende Unterrichts-Anstalt und eine täglich von 10-3 Uhr u. außerdem Montags, Dienstags, Freitags, Sonnabends von 7 ½ bis 9 ½ Uhr geöffnete kunstgewerbliche Bibliothek. 1867 wurde das Museum von einem Verein gegründet.“ [Adreßbuch für Berlin, Anhang II, S. 160] und die National-GallerieDie Beschreibung des Museumsbaus und der Sammlung lautet: „Die National-Galerie auf dem Platze am Neuen Museum, nach Stüler’s Entwurf von Erbsam und Strack ausgeführt 1867-1876. Das in Form eines griechischen Tempels korinthischer Ordnung aufgeführte Gebäude bildet ein Rechteck von 60,3 Mtr. Länge bei 32, 17 Mtr. Breite mit 3 Stockwerken von 20,19 Mtr. Höhe. Es enthält 40 kleinere und 3 große Oberlichtsälte; das Material besteht aus Nebra-Sachstein. Schwarze und rothe Marmorsäulen mit goldbronzenen Capitälen, reich dekorirte Decken und Fußböden schmücken das Innere des Prachtbaues. / [...] Die Galerie umfaßt außer der ehemals Konsul Wagener’schen Sammlung nur Werke der deutschen Kunst unseres Jahrhunderts (Gemälde, Skulpturen, Kartons, Zeichnungen) und zwar sind die Hauptmeister desselben fast sämmtlich mehr oder minder reich vertreten. / Die Abtheilung der Kartons enthält die Kartons von Cornelius für die Wandgemälde in der Glyptothek in der Ludwigskirche in München, sowie die nicht ausgeführten zum Campo santo in Berlin.“ [Adreßbuch für Berlin, Anhang II, S. 160] besucht. Nach dem Kunstge. M. gingen wir um die Schliemann’schen FundeDer Archäologe Heinrich Schliemann, der seit 1868 auf der Suche nach den Orten und Personen der Homerischen Dichtungen in Griechenland und dem osmanischen Reich Grabungen unternahm, schenkte seine als Sammlung „trojanischer Alterthümer“ bezeichneten Funde 1881 dem deutschen Volk. zu sehen: da waren sie bereits eingepackt, um nach dem nächsten Monat zu eröffnenden Ethetnologischen Ethnologischen-MuseumÜber die vor der Eröffnung stehende staatliche Sehenswürdigkeit heißt es: „Museum für Völkerkunde, Königgrätzerstr. 120, erbaut in den Jahren 1881-1884 durch den Baurath Ende und den Bau-Inspektor Klutmann. Dasselbe enthält in den Sälen des Erdgeschosses die praehistorische anthropologische und die Schliemann’schen Sammlungen. Im ersten, zweiten und dritten Stockwerk befinden sich die ethnographischen Sammlungen. Eingangsvestibül in dem Rundbau an der Ecker der Königgrätzer- u. Berl. Zimmerstraße, darüber ein großes Auditorium und die Bibliothek. / Die Eröffnung des Museums wird im Frühjahr dieses Jahres erfolgen.“ [Adreßbuch für Berlin, Anhang II, S. 160] überführt zu werden. In der N. Gallerie sah ich ein Bild von Gabriel Maxeinen Christus als JünglingDas 1884 in München entstandene Bild „Christus heilt ein krankes Kind“ von dem erfolgreichen Historienmaler Gabriel von Max, das die Nationalgalerie Berlin erworben hatte, ist seit 1945 verschollen., den ein Weib zu sich heranruft, die auf einem Prellstein sitzend einen kranken Knaben im Schoose hält. Beim ersten Blick auf das Bild erkannte ich dessen Meister, so gut hattest Du und Prof. Hipenmaiervermutlich der Möbelschreiner und Bildhauer Julius Hippenmeier von Gottlieben, der von 1884 bis 1913 an der Gewerbeschule in Zürich Fachzeichnen unterrichtete und im Vorort Riesbach in der Florastraße 30 wohnte [vgl. Geschäftsbericht der Zentralschulpflege 1913-1914, S. 95; Adreßbuch der Stadt Zürich für 1885, Abt. 1, S. 125; Abt. III, S. 30]. mir seine Malweise, resp. die Eigenthümlichkeit seines Colorites beschrieben. Es ist ein feßelndes | Bild, das man wohl möchte in seinem Zimmer hängen haben. Das Mitleid in dem Gesichte Jesu, das Vertrauen in dem des Weibes und besonders das gedultige, reflexionslos-seg resignirte Leid ein/des/ kleinen Dulders sind schön und rührend dargestellt.

Auch einen großen „Böcklin“ haben sich die Berliner unlängst angeschaft für schweres GeldFür 12.000 Mark war das mit „A. BÖCKLIN 1878“ signierte Originalgemälde „Gefilde der Seligen“, Stilrichtung Symbolismus, von der Direktion der Nationalgalerie Berlin bestellt und angekauft worden [vgl. Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Jg. 115, Nr. 325, 21.11.1878, S. 4799]; das Original ist verschollen [vgl. https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/HJX4LAPSWAG3YUGJEQV2ILQ6PEFQOHMK, abgerufen: 15.7.2024].; „Die Gefilde der Seligen.“ Ein sehr schön eingedämmter, schön gerader Kanal fließt zwischen schön grasgrünen Dämmen dahin. Auf ihm schimmenSchreibversehen, statt: schwimmen zwei Schwäne; ein paar heitere, mit etwas rother und violeter Gazée bekleidete Weiblein wollen ein Spazierritt auf einem gutmüthigen ZentauerSchreibversehen, statt: Zentaur; in der griech. Mythologie ein Mischwesen, halb Mensch (Oberkörper mit Kopf), halb Pferd (Rumpf mit den vier Beinen). unternehmen. Die Besteigung findet auf der linken Seite des Bildes statt. | Auf der andern Seite des Kanales stehen einige Bäume, darunter einige Pappeln (wofür B. eine Vorliebe zu haben scheint) und einige menschliche Figuren – durch die Entfernung ganz klein – stehen um einen Altar. Da mit dem besten Willen an dem großen Geschmiere als Composition nichts zu rühmen ist, so meinen die Berliner: die Schwäne seien eigentlich doch recht schön weiß; und das Wasser, das sei doch eigentlich recht schön blau, und auch so eigenthümlich mettalisch – wirklich, eigentlich doch recht genial! Nun ja! Das Bild hat über 10,000 M. gekostet, da ist es doch gut, daß doch etwas daran zu rühmen ist! – Und dann war ich in der Oper und hörte die Walküre mit dem Niemann als | Sigmund, der Sachse-Hofmeister als Sigellinde und der LeemannIn der Presse wurde die letzte Vorstellung Lilli Lehmanns für Montag, den 19.10.1885 angekündigt: „Fräulein Lehmann nimmt nächsten Montag als Brünhilde von uns Abschied, um zunächst in England zu konzertiren und dann in Amerika ihr Bühnengastspiel zu absolviren.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 14, Nr. 528, 18.10.1885, Morgen-Ausgabe, 1. Beiblatt, S. 4] als Brunhild. Ich hatte natürlich nicht viel an der Aufführung auszusetzen, daß ich überhaupt etwas hatte, war mir selber verwunderlich; eigentlich sollte so eine Kleinstädterin mehr „hin“ sein, wenn sie in Berlin in der Oper ist, noch dazu bei höchsten Preisen, wo die ersten Kräfte wirken. Natürlich treffen meine Aussetzungen auch nicht die Sänger, sondern nur das Walküren-EnsambleSchreibversehen, statt: Ensemble. und einiges Scenisches; die beiden Damen sangen mit per/ra/chtvollen Stimmen (die Sachse-Hofmeister hat einen himmlischen hohen Sopran) ihre Rollen in der Perfexion/ctio/n, und auch NiemanSchreibversehen, statt: Niemann. sang gut, obgleich er mit seiner Stimme bereits | abgewirthschaftet hat, und sich immer erst zum Singen durch Brüllen vorbereiten müße. Die Decorationen waren sehr schön, nur den „Granedas Pferd Brünhildes in Richard Wagners Oper „Walküre; angelehnt an den Schimmel „Grani“ aus der nordischen Mythologie, der Siegfried, den Drachentöter, auf seinen Abenteuern begleitet.“ hätte man weglaßen sollen – er hat nichts dabei zu thun, und er stört nur – man glaubt nicht daran, daß er ein Götterroß ist, wenn er dreimal so herzhaft gähnt, wie er an dem Abend gethan.

Von bekannten Leuten habe ich Lasson Der Philosoph und Gymnasiallehrer Adolf Lasson war seit 1877 Privatdozent der Philosophie an der Universität Berlin.und Otto Pfleiderer gesehen; dieser war einmal Sonntags zum Thee bei uns mit seiner FrauDer Philosoph und Theologe Otto Pfleiderer, seit 1870/71 Professor an der Universität Jena, seit 1874 an der Humboldt-Universität in Berlin, hatte 1868 seine zweite Frau, Marie Kornbeck, geheiratet.. Baron Goeler von Ravensburg, Privatdocent der Kunstgeschichte und u/U/nter-Director der National-Gallerie wünscht erst noch ein berühmter Mann zu werden, ist aber nach Hartmanns Meinung zu faul dazu. Dieser ist ein | großer Bewunderer von Hartmann als Mensch; seine Werke zu lesen findet er gewöhnlich keine Zeit, und meint auch es friere ihn dabei; H. sei ihm in seinen Büchern, nicht im persönlichen Verkehr, zu frostig. Und dann habe ich einen Dichter, einen echten Dichter von p/Pr/ofession gesehen: den Oskar Lincke. Kennst du etwas von ihm? Wenn nicht, so verschaffe Dir einmal seine „Versuchungen des heiligen AntoniusOskar Linkes Dichtung „Versuchung des heiligen Antonius“ (Minden 1885), das den gleichen Titel trägt wie das Triptychon von Hieronymus Bosch, das wiederum des Kirchenhistorikers Athanasius Legendenerzählung über Antonius, den Großen, zum Vorbild hatte. Andere berühmte literarische Bearbeitungen des Themas finden sich in E.T.A. Hoffmanns „Die Elixire des Teufels“ (1815/16) und in Gustave Flauberts Roman „La tentation de Saint Antoine“ (1874) und der hier erwähnten Bildergeschichte Wilhelm Buschs.. Man kennt diese letztern gemeinlich hinveraltet: gemeiniglich; modern: gemeinhin. nur als von Busch „gedichtet“. Hier ist’s natürlich ein Bischen anders, aber wirklich sehr des Lesens werth, wenn es mir auch (für einen Dichter ersten Ranges denSchreibversehen, statt: der. er sein möchte) etwas an der Höhe und der Tiefe zu fehlen | scheint. Reizend sind auch seine KinderliederGemeint sein dürfte Oscar Linkes Gedichtsammlung „Blumen des Lebens. Fünf Bücher Gedichte“ (240 S.; Berlin 1876). Separatdrucke von zweimal 2 Gedichten („Lied“, „An ***“, „Dein blaues Auge“ und „Die Hoffnung“) erschienen noch im selben Jahr [vgl. „Deutsche Romanbibliothek zu Über Land und Meer“, Jg. 4, Bd. 2 (Juli – Dez.), Nr. 35, 1876, S. 797; Nr. 39, 1876, S. 894]., obwohl er einem den Eindruck macht, als ob er gar kein Aug für Kinder haben sollte. Er soll sich sehr vor Damen, besonders vor jungen fürchten, und die „höhere“ Liebe noch nicht practisch kennen. Er trank bei uns den Thee und war recht stockig und absprechend, sprach ziemlich viel und hörte nur auf Herrn von H.; Frau v. H. war kaum, ich gar nicht für ihn vorhanden, so daß wir ganz stumm dasaßen, was unsern Strickstrümpfen zu gute kam, uns aber nicht sehr für ihn einnamSchreibversehen, statt: einnahm.. Frau v. H. meinte, sie möge ihn nur, weil er ihren Mann so bewundere (er liest aber seine eigentlich phil. Werke nicht), sonst aber müße sie immer wieder von Zeit zu Zeit eines seiner lieblichen Kinderlieder lesen, um ihm nicht gram zu werden. |

Doch nun zu Dir! Zu Dir Du nicht-Damen- und nicht Liebe-scheuer Dichter-Practikant-der Unsterblichkeit! Das sind mir schöne Geschichten Wedekinds Affäre mit der Apothekerwitwe Berta Jahn in Lenzburg [vgl. Wedekinds Korrespondenz mit ihr].was Du mir da schreibst! Ein Uebel wird kaum mit einem schlimmern Uebel geheilt. Du must die Frau sanft und mit möglichster Schonung aus ihrem unseligen und unsinnigen Dusel aufwecken. Lange kann das ja nicht gehen und eine solche Comödie ist Deiner unwürdig und thut ihr doch nur HarmKummer; Schmerz.. Sie soll lernen sich an Deiner Freundschaft genügen zu lassen auf mehr hat sie keinen Anspruch. Die Unlust, welche Dir aber die Lösung dieses unnatürlichen Verhältnißes verursacht (je größer diese Unlust ist um so mehr macht es Dir Ehre) die sollst Du gedultig auf Dich nehmen | als eine noch immer viel zu gelinde Strafe und Buße Deines Antheiles an dem Wahnsinn. Als ich die gute alte Tante diesen Herbst sah, da dachte ich: nun Gott sei Dank, jetzt nach dem die arme Frau den SchlaganfallBertha Jahn hatte einen ersten Schlaganfall etwa Anfang Juli 1884 [vgl. Friedrich Wilhelm Wedekind an Frank Wedekind, 24.7.1884]. Die erotische Beziehung zwischen ihr und Frank Wedekind begann erst 2 Monate später. – Von einem weiteren Schlaganfall 1885 ist nichts bekannt. gehabt, jetzt wird F. nichts mehr von anakronistischen Gefühlen zu fürchten haben. Ich dachte eben nur an Dich, nur an Dein Empfinden, war zufrieden Dich wieder Befreit aus dieser Phantasieverirrung zu wissen. Daß sie Dir den Rückzug in die Position der Freundschaft erschweren könnte dachte ich nicht. Und nun doch! Die Ärmste! Die Sache wäre lächerlich, wenn es nicht so traurig wäre, und traurig, recht herzlich traurig ist es, wenn so ein unbegertes und darum aufgespartes | Liebesvermögen so entschieden verspätet auftreten muß, sich und andern zur Last, wo es zur richtigen Zeit und an das richtige Object gewendet hätte so beglückend sein können – wo bleibt da die Weisheit des Unbewußten? Ohne Zweifel nur in der Unlust die dadurch geschaffen wird. Du wirst nun wohl auch nicht mehr so kühn mit dem Feuer unter der Asche spielen und sie – ? Jedenfalls must Du die Sache auf vernünftigen Grund zurük stellen. Dichte sie an, laß Dich andichten – vorläufig! – schwör ihr ewig Freundschaft, mache S/s/ie zur Vertrauten deines Herzens – aber gestehe ihr so bald als möglich, daß Du für eine schöne 17. Es wird ihr weh’ thun, | aber es ist vernünftig, und alles Gute ist dies letzten Endes nur deswegen, weil es vernünftig ist.

So mein lieber Franklin, nun habe ich geredet wie ein Beichtvater, nicht wahr? und einem solchen nimmt man es nicht übel, wenn er schon sagt, was einem nicht gefällt; also nimm’ es mir auch nicht übel, und sei versichert, daß es herzlich gut gemeint ist, und auch ganz ernsthaft empfunden, wenn auch leicht hin ausgedrückt.

Im/n/ den zwanziger Tagen dieses Monates gehe ich für einige Tage nach Zürich; da sehe ich wahrscheinlich auch Deine liebe Mama.

In Zürich soll auch die Walküre dran kommen diesen WinterSo lautete eine kurz zuvor bekannt gemachte Pressemeldung: „Wagners ‚Walküre‘ soll im Dezember im Aktientheater zur Aufführung kommen. Es werden dafür ganz neue Koulissen nach dem Muster der deutschen Bühnen erstellt.“ [Züricherische Freitagszeitung, Jg. 212, Nr. 44, 30.10.1885, S. (2)].

Na, das wird werden! |

Doch nun adieu lieber Franklin, studire fleißig was Du sollstdie Rechtswissenschaften. und fleißig was Du magstPhilosophie, Literatur und das kulturelle Angebot der Großstadt., dann wirst Du nicht umsonst in München gewesen sein. Nicht nur lachen und gähnen, auch küßen kannst Du nun ungenirter, seiddem Du Dich der Verschönerungsoperationnicht ermittelt; möglicherweise im Zusammenhang mit den kariösen Zähnen stehend [vgl. Friedrich Wilhelm Wedekind an Frank Wedekind, 31.12.1885]. unterzogen hast. Mache doch darauf ein Gedicht, poetische Ungezogenheiten sind ja jetzt Mode – der Oskar Lincke exellirt Schreibversehen, statt: excellirt (sich hervortun).auch darin.

Ich verbleibe mit vielen herzlichen Grüßen Deine
Dich liebende Tante
O. Pl. |


N.S. Wenn Du mir eine Gefälligkeit erweisen willst, so gehe doch gelegentlich zum Redacteur (resp. Herausgeber) der „Gesellschaft“, und frage ihn in meinem Namen an, wann der Aufsatz Vermutlich handelt es sich um Olga Plümachers Aufsatz „Das Verhältnis von Tugend und Glück in seiner geschichtlichen Entwicklung“, der in 2 Teilen im Juli- und Augustheft 1886 in der Monatsschrift „Die Gesellschaft“ (Bd. 2, 1886, S. 31–34 u. S. 111-114) erschien.Ethik u. Glückseligkeit“ von O. Plümacher, eingereicht durch E. von Hartmann zum Abdruck kommen werde; derselbe liegt nun schon etwa 10 Wochen dort.

Ferner würdest Du mich verbinden, wenn Du mir die AdresseDer Adresseintrag der Zeitung lautet vollständig: „Humoristische Blätter. Redakt. u. Verlag Gg. Schuh u. Comp., für den Inseratentheil M. A. Sauer. Expedition Windenmacherstr. 5, Redaktion Isarthorplatz 1b“. Die Wohnung befand sich im 1. Stock. [Adreßbuch für München 1886, Tl. III, S. 86] der „humoristischen Münchener Blätter“ mittheilen wolltest, wozu eine Postkarte genügt.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 10 Blatt, davon 20 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Rautiertes Papier. 5 Doppelblatt. Seitenmaß 13,5 x 21,5 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Die hinteren 4 Doppelblätter sind mit arabischen Ziffern „2.“ (Seite 5), „3.“ (Seite 9), „4.“ (Seite 13), „5.“ (Seite 17) versehen (hier nicht wiedergegeben). Zu den orthographischen Besonderheiten Olga Plümachers gehört die Schreibung einfacher statt doppelter Konsonanten (zusamen, statt: zusammen; angeschaft, statt: angeschafft; violeter, statt: violetter; must, statt: musst) und umgekehrt (mettalisch, statt: metallisch; Gallerie, statt: Galerie) sowie die Verwechselung von d/t (gedultig, statt: geduldig; seiddem, statt: seitdem). Als Schreibversehen werden hier nur zweideutige Schreibungen angemerkt.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Stein am Rhein
    15. November 1885 (Sonntag)
    Sicher

  • Absendeort

    Stein am Rhein
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 130
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Olga Plümacher an Frank Wedekind, 15.11.1885. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (24.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Anke Lindemann

Zuletzt aktualisiert

09.09.2024 17:28
Kennung: 139

Stein am Rhein, 15. November 1885 (Sonntag), Brief

Autor*in

  • Plümacher, Olga

Adressat*in

  • Wedekind, Frank
 
 

Inhalt

Stein a/Rh den 15 Nov. 1885


Mein lieber Franklin!

Herzlichen Dank für Deinen lieben interessanten Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Olga Plümacher, 8.11.1885.. Es freut mich Dich wieder in MünchenFrank Wedekind, der die Semesterferien in Lenzburg verbracht hatte, trat – so seine Absicht – erst zu Semesterbeginn am Montag, 2.11.1885, die Rückreise nach München, wo er für Jura immatrikuliert war, an [vgl. Frank Wedekind an Willi Wedekind, 28.10.1884; Frank Wedekind an Bertha Jahn, 9.11.1884]. zu wissen, wo Du so viel zu hören und zu sehen bekommst, was Dir hoffentlich nicht nur für den Moment des Genußes willkommen ist, sondern auch Deiner geistigen und gemüthlichen Entwickelung zu Gute kommen wird. Herzlich leid thut es e/m/ir aber, daß ich nicht das Vergnügen haben konnte Dich auf der Hinreise begrüßen zu können. Wenn Du nun aber das nächste mal nach der Heimath kommst, dann sollst Du mir nicht entgehen, | und wenn ich mich in RomanshornIn Romanshorn trafen die Schweizer Bahnlinien (Lenzburg) Zürich–Romanshorn (1855 eröffnet) und die über Stein am Rhein führende Bodenseelinie Rorschach–Konstanz (1869 eröffnet) mit der Fährverbindung über den Bodensee nach Lindau (Deutschland) zusammen. Von dort ging es für Wedekind mit der Allgäubahn der Königlich Bayerischen Staats-Eisenbahnen über den Knotenpunkt Buchloe weiter nach München. auf die Lauer stellen müßte und Dich wegschnappen. Als Du nach Berlin München reistest, da war ich noch in Berlin, respective in Groß-Lichterfelde bei Berlin, aber allerdings im Begriff abzureisen. Am 29 Oct. reiste ich dort fort und bin am 1 Nov. hier angekommen, recht erkältet durch die ziemlich unangenehme Heimreise. Bin auch seidherSchreibweise Olga Plümachers, statt: seither. unwohl gewesen von Halsweh und Husten geplagt; doch geht es jetzt wieder ganz ordentlich. Mit meiner Reise bin ich in jeder Beziehung zufrieden. Auf dem Hinweg habe ich mich 2x24 Stunden in Heilbronn aufgehalten und Hermann gesund und frohen | Muthes angetroffen. Am 1 Feb. wird er seiner LehreHermann Plümacher machte in Heilbronn eine Kaufmannslehre bei Franz Xaver Steinhauser, Präsenzgasse 16, 1. Stock [vgl. Adressbuch der Stadt Heilbronn a. Neckar 1885, S. 105]. entlaßen, dann wollen wir sehen was die Welt mit ihm anfangen kann. Ich mußte ihm viel von Dir erzählen; wenn seine Schreibefaulheit ihn auch verhindert sich Dir bemerklich zu machen, so bleibt er Dir doch herzlich ergeben und zugethan. Am ersten Tage regnete es den ganzen Tag Bindfäden, am nächsten Tag aber schien die Sonne und wir fuhren hinaus nach Jagstfelde, Wimpfen im Thal und Wimpfen am Berg. Letztere zwei Orte sind interessant und sehr malerisch anzusehen, aber erschrecklich verkommene, verlotterte Ortschaften – da ist Stein a/Rh noch eine herrliche Stätte moderner Cultur gegen dieses | während des 30.jährigen Krieges1618 bis 1648; Wimpfen mit den Ortsteilen Wimpfen im Thal (um 100 nach Christus als römisches Kastell gegründet) – und Wimpfen am Berg (um 1200 Stauferpfalz und mittelalterlicher Bergstadt) war während des Dreißigjährigen Kriegs wiederholt großen Zerstörungen, Brandschatzungen und Plünderungen ausgesetzt, von denen sich der historische Ort erst durch den aufkommenden Bäder- und Kurbetrieb ab Ende der 1860er Jahre erholte. verstorbenen, und seidher im Verwesungsprocesses befindlichen Wimpfen am Berg. Des Abends setzte ich mich in den Schnellzug und war am folgenden Morgen in Berlin und – nachdem ich den ersten Lokalzug versäumte – um 11 Uhr bei Hartmanns. Diese wohnen in der Villencolonie Groß-Lichterfeldeauch Carstenn’sche Villenkolonie genannt; eine der ersten Villenkolonien im Deutschen Reich, enstanden ab 1860 nach dem Vorbild britischer Villenviertel. Eduard von Hartmann wohnte in Großlichterfelde, Marienstraße 7a. in einer hübschen aber durchaus nicht luxuriösen Villa, die sie im Spätsommer gekauft haben, auf behaglichen aber nicht herrschaftlichem Fuße. Ich wurde sehr herzlich aufgenommen und es ist mir grundwohl bei ihnen gewesen, so wohl, daß ich mich immer erst plagen und necken laßen mußte, bis ich mich et entschloß nach Berlin zu gehen, um etwas zu sehen oder zu hören, | Eines war freilich ein Dämpfer auf mein Vergnügen das ich empfand bei meinem lieben Philosophen zu sein: nämlich die Wahrnehmung, daß dieser in den 5 Jahren, wo ich ihn nicht gesehen hatte, um 10 Jahre gealtert war. Geistig und gemüthlich natürlich ganz unverändert und im Besitze einer gerade zu erstaunlichen Arbeitskraft, ist er körperlich doch sehr herunter gekommen; er hat sich von den Folgen der schlimmen OperationEin Sturz, durch den seine schon in jungen Jahren gequetschte Kniescheibe erneut in Miteidenschaft gezogen war, hatte Eduard von Hartmann dazu veranlasst, sich drei – letztlich erfolglosen – Operationen zu unterziehen; er konnte schließlich nur noch liegend arbeiten [vgl. Wilfried Hartmann: Hartmann Eduard von, in: Neue Deutsche Biographie 7 (1966), S. 738 (http://www.deutsche-biographie.de/.html)]., der er sich vor 2 Jahren zu unterziehen hatte, doch nie mehr ganz erholt; er ist eben ein vorzeitig gealterter und kranker Mann, der sein relatives Behaglichfühlen und seine Arbeitsfähigkeit nur bei der größten Sorgfalt und mit Verzicht auf fast allen Lebens|genuß erhalten kann. Die Tagesordnung ist die regelmäßigste und gleichförmigste, und da eine solche, wo sie, wie wie hier gehoben wird durch vollste ungestörteste Heiterkeit und erleuchtet durch Humor und geiste/i/ge Anregungen verschiedener Art, gerade meinen Wünschen und Neigungen entspricht, so war es mir bei ihm so wohl wie einem Engelein beim lieben Gott: so wunschlos und so ohne alles BegerenSchreibversehen, statt: Begehren., ohne alles Fürchten und ohne alle Sorgen lebte ich die Stunden und Tage dahin. Frau v. H.Bald nach dem frühen Tod seiner ersten Ehefrau hatte Eduard von Hartmann die Großkaufmannstochter, Oberlehrerin und philosophische Schriftstellerin Alma Lorenz aus Bremen geheiratet (4.11.1878). ist ein reizendes Weib, die mir mit herzlicher Offenheit entgegen kam und mit der ich mich auf’s beste verstand.

Daß ich da gar kein Verlangen nach den Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt empfand wird Dir begreiflich | sein. Hartmann geht nirgends mehr hin, zuweilen für ein paar Stunden in’s FreiSchreibversehen, statt: Freie. in seinem Rollwagen, das ist alles – so sind wir denSchreibversehen, statt: denn. auch einmal 2 ½ Stunden zusamen herum gezogen und haben die zum Theil höchst verwunderlichen Bauten besehen die jetzt „stilvoll“ errichtet werden. Da gibt es Villen die einer pappendeckligen Ritterburg ähnlich sehen, andere einer indischen Pagode, wieder andere einer Begräbnißkirche im romanischen Bogenstil u.s.w. u.s.w. Dazwischen hinein auch wieder viel hübsches und klug ausgedachtes, besonders solche bescheidenere Gebäude, die eben nichts anderes sein scheinen wollen als was sie sind: ein behagliches Heim für den wohlhabenden Mittelstand. – | Mit Frau v. H. war ich ein paar Mal in der Stadt und habe das Kunstgewerbe-MuseumÜber das Museum – heute unter dem Namen Martin-Gropius-Bau bekannt – heißt es im Anhang II („Statistik und Sehenswürdigkeiten von Berlin“) des Berliner Adreßbuchs: „Das Kunst-Gewerbe-Museum, Königgrätzerstr. 120. Die Sammlung ist in 36 Sälen aufgestellt und täglich, Montags ausgenommen, von 10-3 Uhr, Sonntags von 12-3 Uhr geöffnet. Das Museum umfaßt bedeutende Sammlungen von Möbeln u. Holzarbeiten, Stickereien und Webereien, Metallarbeiten, Erzeugnissen der Keramik, Gläsern etc. und von Gipsabgüssen, sowie eine aus 26 Klassen bestehende Unterrichts-Anstalt und eine täglich von 10-3 Uhr u. außerdem Montags, Dienstags, Freitags, Sonnabends von 7 ½ bis 9 ½ Uhr geöffnete kunstgewerbliche Bibliothek. 1867 wurde das Museum von einem Verein gegründet.“ [Adreßbuch für Berlin, Anhang II, S. 160] und die National-GallerieDie Beschreibung des Museumsbaus und der Sammlung lautet: „Die National-Galerie auf dem Platze am Neuen Museum, nach Stüler’s Entwurf von Erbsam und Strack ausgeführt 1867-1876. Das in Form eines griechischen Tempels korinthischer Ordnung aufgeführte Gebäude bildet ein Rechteck von 60,3 Mtr. Länge bei 32, 17 Mtr. Breite mit 3 Stockwerken von 20,19 Mtr. Höhe. Es enthält 40 kleinere und 3 große Oberlichtsälte; das Material besteht aus Nebra-Sachstein. Schwarze und rothe Marmorsäulen mit goldbronzenen Capitälen, reich dekorirte Decken und Fußböden schmücken das Innere des Prachtbaues. / [...] Die Galerie umfaßt außer der ehemals Konsul Wagener’schen Sammlung nur Werke der deutschen Kunst unseres Jahrhunderts (Gemälde, Skulpturen, Kartons, Zeichnungen) und zwar sind die Hauptmeister desselben fast sämmtlich mehr oder minder reich vertreten. / Die Abtheilung der Kartons enthält die Kartons von Cornelius für die Wandgemälde in der Glyptothek in der Ludwigskirche in München, sowie die nicht ausgeführten zum Campo santo in Berlin.“ [Adreßbuch für Berlin, Anhang II, S. 160] besucht. Nach dem Kunstge. M. gingen wir um die Schliemann’schen FundeDer Archäologe Heinrich Schliemann, der seit 1868 auf der Suche nach den Orten und Personen der Homerischen Dichtungen in Griechenland und dem osmanischen Reich Grabungen unternahm, schenkte seine als Sammlung „trojanischer Alterthümer“ bezeichneten Funde 1881 dem deutschen Volk. zu sehen: da waren sie bereits eingepackt, um nach dem nächsten Monat zu eröffnenden Ethetnologischen Ethnologischen-MuseumÜber die vor der Eröffnung stehende staatliche Sehenswürdigkeit heißt es: „Museum für Völkerkunde, Königgrätzerstr. 120, erbaut in den Jahren 1881-1884 durch den Baurath Ende und den Bau-Inspektor Klutmann. Dasselbe enthält in den Sälen des Erdgeschosses die praehistorische anthropologische und die Schliemann’schen Sammlungen. Im ersten, zweiten und dritten Stockwerk befinden sich die ethnographischen Sammlungen. Eingangsvestibül in dem Rundbau an der Ecker der Königgrätzer- u. Berl. Zimmerstraße, darüber ein großes Auditorium und die Bibliothek. / Die Eröffnung des Museums wird im Frühjahr dieses Jahres erfolgen.“ [Adreßbuch für Berlin, Anhang II, S. 160] überführt zu werden. In der N. Gallerie sah ich ein Bild von Gabriel Maxeinen Christus als JünglingDas 1884 in München entstandene Bild „Christus heilt ein krankes Kind“ von dem erfolgreichen Historienmaler Gabriel von Max, das die Nationalgalerie Berlin erworben hatte, ist seit 1945 verschollen., den ein Weib zu sich heranruft, die auf einem Prellstein sitzend einen kranken Knaben im Schoose hält. Beim ersten Blick auf das Bild erkannte ich dessen Meister, so gut hattest Du und Prof. Hipenmaiervermutlich der Möbelschreiner und Bildhauer Julius Hippenmeier von Gottlieben, der von 1884 bis 1913 an der Gewerbeschule in Zürich Fachzeichnen unterrichtete und im Vorort Riesbach in der Florastraße 30 wohnte [vgl. Geschäftsbericht der Zentralschulpflege 1913-1914, S. 95; Adreßbuch der Stadt Zürich für 1885, Abt. 1, S. 125; Abt. III, S. 30]. mir seine Malweise, resp. die Eigenthümlichkeit seines Colorites beschrieben. Es ist ein feßelndes | Bild, das man wohl möchte in seinem Zimmer hängen haben. Das Mitleid in dem Gesichte Jesu, das Vertrauen in dem des Weibes und besonders das gedultige, reflexionslos-seg resignirte Leid ein/des/ kleinen Dulders sind schön und rührend dargestellt.

Auch einen großen „Böcklin“ haben sich die Berliner unlängst angeschaft für schweres GeldFür 12.000 Mark war das mit „A. BÖCKLIN 1878“ signierte Originalgemälde „Gefilde der Seligen“, Stilrichtung Symbolismus, von der Direktion der Nationalgalerie Berlin bestellt und angekauft worden [vgl. Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Jg. 115, Nr. 325, 21.11.1878, S. 4799]; das Original ist verschollen [vgl. https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/HJX4LAPSWAG3YUGJEQV2ILQ6PEFQOHMK, abgerufen: 15.7.2024].; „Die Gefilde der Seligen.“ Ein sehr schön eingedämmter, schön gerader Kanal fließt zwischen schön grasgrünen Dämmen dahin. Auf ihm schimmenSchreibversehen, statt: schwimmen zwei Schwäne; ein paar heitere, mit etwas rother und violeter Gazée bekleidete Weiblein wollen ein Spazierritt auf einem gutmüthigen ZentauerSchreibversehen, statt: Zentaur; in der griech. Mythologie ein Mischwesen, halb Mensch (Oberkörper mit Kopf), halb Pferd (Rumpf mit den vier Beinen). unternehmen. Die Besteigung findet auf der linken Seite des Bildes statt. | Auf der andern Seite des Kanales stehen einige Bäume, darunter einige Pappeln (wofür B. eine Vorliebe zu haben scheint) und einige menschliche Figuren – durch die Entfernung ganz klein – stehen um einen Altar. Da mit dem besten Willen an dem großen Geschmiere als Composition nichts zu rühmen ist, so meinen die Berliner: die Schwäne seien eigentlich doch recht schön weiß; und das Wasser, das sei doch eigentlich recht schön blau, und auch so eigenthümlich mettalisch – wirklich, eigentlich doch recht genial! Nun ja! Das Bild hat über 10,000 M. gekostet, da ist es doch gut, daß doch etwas daran zu rühmen ist! – Und dann war ich in der Oper und hörte die Walküre mit dem Niemann als | Sigmund, der Sachse-Hofmeister als Sigellinde und der LeemannIn der Presse wurde die letzte Vorstellung Lilli Lehmanns für Montag, den 19.10.1885 angekündigt: „Fräulein Lehmann nimmt nächsten Montag als Brünhilde von uns Abschied, um zunächst in England zu konzertiren und dann in Amerika ihr Bühnengastspiel zu absolviren.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 14, Nr. 528, 18.10.1885, Morgen-Ausgabe, 1. Beiblatt, S. 4] als Brunhild. Ich hatte natürlich nicht viel an der Aufführung auszusetzen, daß ich überhaupt etwas hatte, war mir selber verwunderlich; eigentlich sollte so eine Kleinstädterin mehr „hin“ sein, wenn sie in Berlin in der Oper ist, noch dazu bei höchsten Preisen, wo die ersten Kräfte wirken. Natürlich treffen meine Aussetzungen auch nicht die Sänger, sondern nur das Walküren-EnsambleSchreibversehen, statt: Ensemble. und einiges Scenisches; die beiden Damen sangen mit per/ra/chtvollen Stimmen (die Sachse-Hofmeister hat einen himmlischen hohen Sopran) ihre Rollen in der Perfexion/ctio/n, und auch NiemanSchreibversehen, statt: Niemann. sang gut, obgleich er mit seiner Stimme bereits | abgewirthschaftet hat, und sich immer erst zum Singen durch Brüllen vorbereiten müße. Die Decorationen waren sehr schön, nur den „Granedas Pferd Brünhildes in Richard Wagners Oper „Walküre; angelehnt an den Schimmel „Grani“ aus der nordischen Mythologie, der Siegfried, den Drachentöter, auf seinen Abenteuern begleitet.“ hätte man weglaßen sollen – er hat nichts dabei zu thun, und er stört nur – man glaubt nicht daran, daß er ein Götterroß ist, wenn er dreimal so herzhaft gähnt, wie er an dem Abend gethan.

Von bekannten Leuten habe ich Lasson Der Philosoph und Gymnasiallehrer Adolf Lasson war seit 1877 Privatdozent der Philosophie an der Universität Berlin.und Otto Pfleiderer gesehen; dieser war einmal Sonntags zum Thee bei uns mit seiner FrauDer Philosoph und Theologe Otto Pfleiderer, seit 1870/71 Professor an der Universität Jena, seit 1874 an der Humboldt-Universität in Berlin, hatte 1868 seine zweite Frau, Marie Kornbeck, geheiratet.. Baron Goeler von Ravensburg, Privatdocent der Kunstgeschichte und u/U/nter-Director der National-Gallerie wünscht erst noch ein berühmter Mann zu werden, ist aber nach Hartmanns Meinung zu faul dazu. Dieser ist ein | großer Bewunderer von Hartmann als Mensch; seine Werke zu lesen findet er gewöhnlich keine Zeit, und meint auch es friere ihn dabei; H. sei ihm in seinen Büchern, nicht im persönlichen Verkehr, zu frostig. Und dann habe ich einen Dichter, einen echten Dichter von p/Pr/ofession gesehen: den Oskar Lincke. Kennst du etwas von ihm? Wenn nicht, so verschaffe Dir einmal seine „Versuchungen des heiligen AntoniusOskar Linkes Dichtung „Versuchung des heiligen Antonius“ (Minden 1885), das den gleichen Titel trägt wie das Triptychon von Hieronymus Bosch, das wiederum des Kirchenhistorikers Athanasius Legendenerzählung über Antonius, den Großen, zum Vorbild hatte. Andere berühmte literarische Bearbeitungen des Themas finden sich in E.T.A. Hoffmanns „Die Elixire des Teufels“ (1815/16) und in Gustave Flauberts Roman „La tentation de Saint Antoine“ (1874) und der hier erwähnten Bildergeschichte Wilhelm Buschs.. Man kennt diese letztern gemeinlich hinveraltet: gemeiniglich; modern: gemeinhin. nur als von Busch „gedichtet“. Hier ist’s natürlich ein Bischen anders, aber wirklich sehr des Lesens werth, wenn es mir auch (für einen Dichter ersten Ranges denSchreibversehen, statt: der. er sein möchte) etwas an der Höhe und der Tiefe zu fehlen | scheint. Reizend sind auch seine KinderliederGemeint sein dürfte Oscar Linkes Gedichtsammlung „Blumen des Lebens. Fünf Bücher Gedichte“ (240 S.; Berlin 1876). Separatdrucke von zweimal 2 Gedichten („Lied“, „An ***“, „Dein blaues Auge“ und „Die Hoffnung“) erschienen noch im selben Jahr [vgl. „Deutsche Romanbibliothek zu Über Land und Meer“, Jg. 4, Bd. 2 (Juli – Dez.), Nr. 35, 1876, S. 797; Nr. 39, 1876, S. 894]., obwohl er einem den Eindruck macht, als ob er gar kein Aug für Kinder haben sollte. Er soll sich sehr vor Damen, besonders vor jungen fürchten, und die „höhere“ Liebe noch nicht practisch kennen. Er trank bei uns den Thee und war recht stockig und absprechend, sprach ziemlich viel und hörte nur auf Herrn von H.; Frau v. H. war kaum, ich gar nicht für ihn vorhanden, so daß wir ganz stumm dasaßen, was unsern Strickstrümpfen zu gute kam, uns aber nicht sehr für ihn einnamSchreibversehen, statt: einnahm.. Frau v. H. meinte, sie möge ihn nur, weil er ihren Mann so bewundere (er liest aber seine eigentlich phil. Werke nicht), sonst aber müße sie immer wieder von Zeit zu Zeit eines seiner lieblichen Kinderlieder lesen, um ihm nicht gram zu werden. |

Doch nun zu Dir! Zu Dir Du nicht-Damen- und nicht Liebe-scheuer Dichter-Practikant-der Unsterblichkeit! Das sind mir schöne Geschichten Wedekinds Affäre mit der Apothekerwitwe Berta Jahn in Lenzburg [vgl. Wedekinds Korrespondenz mit ihr].was Du mir da schreibst! Ein Uebel wird kaum mit einem schlimmern Uebel geheilt. Du must die Frau sanft und mit möglichster Schonung aus ihrem unseligen und unsinnigen Dusel aufwecken. Lange kann das ja nicht gehen und eine solche Comödie ist Deiner unwürdig und thut ihr doch nur HarmKummer; Schmerz.. Sie soll lernen sich an Deiner Freundschaft genügen zu lassen auf mehr hat sie keinen Anspruch. Die Unlust, welche Dir aber die Lösung dieses unnatürlichen Verhältnißes verursacht (je größer diese Unlust ist um so mehr macht es Dir Ehre) die sollst Du gedultig auf Dich nehmen | als eine noch immer viel zu gelinde Strafe und Buße Deines Antheiles an dem Wahnsinn. Als ich die gute alte Tante diesen Herbst sah, da dachte ich: nun Gott sei Dank, jetzt nach dem die arme Frau den SchlaganfallBertha Jahn hatte einen ersten Schlaganfall etwa Anfang Juli 1884 [vgl. Friedrich Wilhelm Wedekind an Frank Wedekind, 24.7.1884]. Die erotische Beziehung zwischen ihr und Frank Wedekind begann erst 2 Monate später. – Von einem weiteren Schlaganfall 1885 ist nichts bekannt. gehabt, jetzt wird F. nichts mehr von anakronistischen Gefühlen zu fürchten haben. Ich dachte eben nur an Dich, nur an Dein Empfinden, war zufrieden Dich wieder Befreit aus dieser Phantasieverirrung zu wissen. Daß sie Dir den Rückzug in die Position der Freundschaft erschweren könnte dachte ich nicht. Und nun doch! Die Ärmste! Die Sache wäre lächerlich, wenn es nicht so traurig wäre, und traurig, recht herzlich traurig ist es, wenn so ein unbegertes und darum aufgespartes | Liebesvermögen so entschieden verspätet auftreten muß, sich und andern zur Last, wo es zur richtigen Zeit und an das richtige Object gewendet hätte so beglückend sein können – wo bleibt da die Weisheit des Unbewußten? Ohne Zweifel nur in der Unlust die dadurch geschaffen wird. Du wirst nun wohl auch nicht mehr so kühn mit dem Feuer unter der Asche spielen und sie – ? Jedenfalls must Du die Sache auf vernünftigen Grund zurük stellen. Dichte sie an, laß Dich andichten – vorläufig! – schwör ihr ewig Freundschaft, mache S/s/ie zur Vertrauten deines Herzens – aber gestehe ihr so bald als möglich, daß Du für eine schöne 17. Es wird ihr weh’ thun, | aber es ist vernünftig, und alles Gute ist dies letzten Endes nur deswegen, weil es vernünftig ist.

So mein lieber Franklin, nun habe ich geredet wie ein Beichtvater, nicht wahr? und einem solchen nimmt man es nicht übel, wenn er schon sagt, was einem nicht gefällt; also nimm’ es mir auch nicht übel, und sei versichert, daß es herzlich gut gemeint ist, und auch ganz ernsthaft empfunden, wenn auch leicht hin ausgedrückt.

Im/n/ den zwanziger Tagen dieses Monates gehe ich für einige Tage nach Zürich; da sehe ich wahrscheinlich auch Deine liebe Mama.

In Zürich soll auch die Walküre dran kommen diesen WinterSo lautete eine kurz zuvor bekannt gemachte Pressemeldung: „Wagners ‚Walküre‘ soll im Dezember im Aktientheater zur Aufführung kommen. Es werden dafür ganz neue Koulissen nach dem Muster der deutschen Bühnen erstellt.“ [Züricherische Freitagszeitung, Jg. 212, Nr. 44, 30.10.1885, S. (2)].

Na, das wird werden! |

Doch nun adieu lieber Franklin, studire fleißig was Du sollstdie Rechtswissenschaften. und fleißig was Du magstPhilosophie, Literatur und das kulturelle Angebot der Großstadt., dann wirst Du nicht umsonst in München gewesen sein. Nicht nur lachen und gähnen, auch küßen kannst Du nun ungenirter, seiddem Du Dich der Verschönerungsoperationnicht ermittelt; möglicherweise im Zusammenhang mit den kariösen Zähnen stehend [vgl. Friedrich Wilhelm Wedekind an Frank Wedekind, 31.12.1885]. unterzogen hast. Mache doch darauf ein Gedicht, poetische Ungezogenheiten sind ja jetzt Mode – der Oskar Lincke exellirt Schreibversehen, statt: excellirt (sich hervortun).auch darin.

Ich verbleibe mit vielen herzlichen Grüßen Deine
Dich liebende Tante
O. Pl. |


N.S. Wenn Du mir eine Gefälligkeit erweisen willst, so gehe doch gelegentlich zum Redacteur (resp. Herausgeber) der „Gesellschaft“, und frage ihn in meinem Namen an, wann der Aufsatz Vermutlich handelt es sich um Olga Plümachers Aufsatz „Das Verhältnis von Tugend und Glück in seiner geschichtlichen Entwicklung“, der in 2 Teilen im Juli- und Augustheft 1886 in der Monatsschrift „Die Gesellschaft“ (Bd. 2, 1886, S. 31–34 u. S. 111-114) erschien.Ethik u. Glückseligkeit“ von O. Plümacher, eingereicht durch E. von Hartmann zum Abdruck kommen werde; derselbe liegt nun schon etwa 10 Wochen dort.

Ferner würdest Du mich verbinden, wenn Du mir die AdresseDer Adresseintrag der Zeitung lautet vollständig: „Humoristische Blätter. Redakt. u. Verlag Gg. Schuh u. Comp., für den Inseratentheil M. A. Sauer. Expedition Windenmacherstr. 5, Redaktion Isarthorplatz 1b“. Die Wohnung befand sich im 1. Stock. [Adreßbuch für München 1886, Tl. III, S. 86] der „humoristischen Münchener Blätter“ mittheilen wolltest, wozu eine Postkarte genügt.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 10 Blatt, davon 20 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Rautiertes Papier. 5 Doppelblatt. Seitenmaß 13,5 x 21,5 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Die hinteren 4 Doppelblätter sind mit arabischen Ziffern „2.“ (Seite 5), „3.“ (Seite 9), „4.“ (Seite 13), „5.“ (Seite 17) versehen (hier nicht wiedergegeben). Zu den orthographischen Besonderheiten Olga Plümachers gehört die Schreibung einfacher statt doppelter Konsonanten (zusamen, statt: zusammen; angeschaft, statt: angeschafft; violeter, statt: violetter; must, statt: musst) und umgekehrt (mettalisch, statt: metallisch; Gallerie, statt: Galerie) sowie die Verwechselung von d/t (gedultig, statt: geduldig; seiddem, statt: seitdem). Als Schreibversehen werden hier nur zweideutige Schreibungen angemerkt.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Stein am Rhein
    15. November 1885 (Sonntag)
    Sicher

  • Absendeort

    Stein am Rhein
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 130
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Olga Plümacher an Frank Wedekind, 15.11.1885. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (24.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Anke Lindemann

Zuletzt aktualisiert

09.09.2024 17:28