Kennung: 2705

München, 20. August 1898 (Samstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Stollberg, Georg

Inhalt

Lieber Herr Stollberg,

ich komme eben aus dem TheaterDas am 17.11.1897 von Emil Drach als Spielstätte für die „Theater-Moderne“ [Vinçon 2014, S. 130] eröffnete Münchner Schauspielhaus (Neuturmstraße 1), in dem Georg Stollberg als Schauspieler und Oberregisseur engagiert war [vgl. Neuer Theater-Almanach 1898, S. 468], wurde von ihm, als „das Unternehmen finanziell zu scheitern droht“, im Sommer 1898 übernommen, „gemeinsam mit Cajetan Schmederer, Eigentümer eines der ersten hiesigen Geschäftshäuser“ [Vinçon 2014, S. 130] mit entsprechenden Geldmitteln; der Wechsel der Direktion war ökonomisch begründet, nicht konzeptionell. Georg Stollberg war nun Direktor des Münchner Schauspielhauses und Wedekind wurde von ihm am 22.8.1898 „als Dramaturg und Schauspieler unter Vertrag genommen“ [Vinçon 1987, S. 53], aber auch als Sekretär [vgl. Neuer Theater-Almanach 1899, S. 443]. Die Münchner Presse meldete erst zur Eröffnung des Hauses am 7.9.1898 unter neuer Leitung, der neue Direktor Georg Stollberg habe „als Dramaturgen den Schriftsteller Frank Wedekind gewonnen.“ [Allgemeine Zeitung, Jg. 101, Nr. 243, 3.9.1898, S. 6]. wo Herr RaabeSiegfried Raabe war Schauspieler, Oberregisseur und stellvertretender Direktor am Münchner Schauspielhaus [vgl. Neuer Theater-Almanach 1899, S. 443]. und ich die Bibliothek alphabetisch zu ordnen begannen. Sobald wir damit fertig sind, legen wir ein Verzeichniß an. Von Biberpelz sind nicht alle RollenNach der ersten Inszenierung (Georg Hirschfelds Schauspiel „Die Mütter“, Premiere am 7.9.1898) unter Georg Stollberg als Direktor am Münchner Schauspielhaus ging am 10.9.1898 „als zweite Neuaufführung die vieraktige Komödie ‚Der Biberpelz‘ von Gerhart Hauptmann in Scene.“ [Allgemeine Zeitung, Jg. 101, Nr. 249, 9.9.1898, S. 6] Unter den Darstellern war Wedekind, der in dem Stück die Rolle des Dr. Fleischer spielte; die anderen Rollen spielten Betty L’Arronge, Anna Berneck, Centa Bré, Karl Deutschinger, Rose Enzinger, Willy Faber (gastierend), Reinhard Freyer, Edmund May (gastierend), Siegfried Raabe, Hans Stock, Hans Sturm, Oskar Wallner [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 51, Nr. 417, 10.9.1898, General-Anzeiger, S. 1]. vorhanden. Die fehlenden wird R/H/. Raabe sofort herausschreiben lassen.

Bei Ihnen zu HauseGeorg Stollberg wohnte seinerzeit in der Kanalstraße 29 (2. Stock) [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1899, Teil I, S. 549]. finde ich ein EngagementsgesuchThomas Oeconomo wurde am Münchner Schauspielhaus nicht als Schauspieler engagiert; er hatte wechselnde Engagements an Provinzbühnen, so am Stadttheater Schleswig [vgl. Neuer Theater-Almanach 1898, S. 508], gegenwärtig am Kurtheater in Friedrichsroda, das nur eine Sommerspielzeit von Mitte Juni bis Mitte September 1898 hatte, und schließlich als jugendlicher Chargenspieler und Geck am Stadttheater Bautzen [vgl. Neuer Theater-Almanach 1899, S. 347f., 558]. von Thomas Oeconomo, Erster ChargenspielerSchauspieler, der kleine Rollen (Nebenrollen) stark typisiert darstellt (oft satirisch komisch)., gegenwärtig in Fridrichsroda mit einem endlosen Rollenverzeichniß. | Erkundigungen bei Dir. W HasemannWilhelm Hasemann in Berlin war dort Direktor am Thalia-Theater (Dresdener Straße 72); er „führt die Oberregie und wohnt im Theater“ [Neuer Theater-Almanach 1899, S. 289]. (Berlin) und C. F. WittmannCarl Friedrich Wittmann lebte als Theaterdirektor in Berlin (Auguststraße 46) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1899, S. 717]. (Berlin). Sodann eine Zusage von Herrn DeutschingerKarl Deutschinger war als Schauspieler am Münchner Schauspielhaus engagiert [vgl. Neuer Theater-Almanach 1899, S. 443]. mit der Bitte um bessere Beschäftigung. Drittens ein Gesuch um Beschäftigung von CescensSchreibversehen, statt: Crescens (im süddeutschen Sprachraum verbreitete Namensvariante von Crescentia). – Creszentia Frankl war Witwe eines Tagelöhners in München (Claude-Lorrain-Straße 7) [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1899, Teil I, S. 140]. Frankl, PutzerinPutzfrau.. 4. Bayrischer Courrier die konservative katholische Tageszeitung „Bayerischer Kurier“ (München); der Jahrgang 1898 ist nicht greifbar.mit vollständigem Abdruck der ErklärungGeorg Stollbergs Erklärung zu seiner Auseinandersetzung mit Emil Drach zum Wechsel der Direktion des Münchner Schauspielhauses war nicht nur im „Bayerischen Kurier“ abgedruckt, sondern auch in anderen Zeitungen (so in der Münchner „Allgemeinen Zeitung“). Es handelte sich um eine sehr ausführliche „Gegenerklärung“ zu einem zuvor versandten „Rundschreiben des Hrn. Direktor Drach an die Zeitungen“ (es ist am 16.8.1898 erschienen); Georg Stollberg ging detailliert vor allem auf die ausstehenden Gagen unter der bisherigen Direktion ein und verwies überhaupt auf deren „Zahlungsschwierigkeiten“ [Münchener Schauspielhaus. In: Allgemeine Zeitung, Jg. 101, Nr. 228, 19.8.1898, 2. Abendblatt, S. 5], die zu lösen gewesen seien, um das Münchner Schauspielhaus zu erhalten. 5. Die beiden inliegenden CartenVisitenkarten (sie liegen dem Brief nicht mehr bei), wobei nicht eindeutig ist, von wem sie stammen (siehe unten).. An Deutschinger und den Chargenspieler aus Friedrichsroda richte ich einige ZeilenHinweis auf nicht überlieferte Schreiben; erschlossene Korrespondenzstücke: Wedekind an Karl Deutschinger, 20.8.1898; Wedekind an Thomas Oeconomo, 20.8.1898., Ihre momentane Abwesenheit betreffend, dabei da Beide um umgehende Antwort bitten.

Ihrer verehrten Frau Gemahlin und Frl. RichterGertrud Richter in München (Briennerstraße 8) war unter der Direktion Emil Drach Schauspielerin am Münchner Schauspielhaus [vgl. Neuer Theater-Almanach 1898, S. 469], dann allerdings wohl nicht mehr unter der Direktion Georg Stollberg. begeneteSchreibversehen, statt: begegnete. ich auf dem Herweg auf der Maximilians|straßeWedekinds Weg führte von seiner Wohnung (Türkenstraße 69) über die Maximilianstraße zum Münchner Schauspielhaus (Neuturmstraße 1).. Heute Nachmittag st um 5 treffe ich Raabe wieder im Theater. Morgender 21.8.1898, ein Sonntag. Wedekind besuchte in Tutzing offenbar wieder Frida Strindberg – wie bereits am 24.7.1898 [vgl. Wedekind an Beate Heine, 27.7.1898]. gedenke ich nach Tutzing zu gehen.

Mit herzlichem Gruß und besten Wünschen für gutes Gelingen Ihrer GeschäfteGeorg Stollberg war geschäftlich offenbar in Wien, wie aus einem anderen Brief hervorgeht [vgl. Wedekind an Georg Stollberg, 22.8.1898].
Ihr
Frank Wedekind.


München, 20 VIII.98.


Beiliegende CarteDie Visitenkarte von Ludwig Müller, „Correspondent“ [Adreßbuch von München für das Jahr 1899, Teil I, S. 369] in München (Holzstraße 10), liegt dem Brief nicht mehr bei (ob die Visitenkarte dem Brief zusätzlich zu den oben genannten beiden Visitenkarten beigelegt oder eine der beiden war, ist unklar). Ludwig Müller wurde abgegeben. Der Herr will am Donnerstagder 25.8.1898; vermutlich sollte Georg Stollberg da wieder vor Ort in München sein. wiederkommen.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 3 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 11,5 x 18 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    München
    20. August 1898 (Samstag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Wien
    Datum unbekannt

Erstdruck

Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Ignaz Georg Stollberg
Signatur des Dokuments:
IGS 135
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Georg Stollberg, 20.8.1898. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (19.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

23.05.2022 08:21