Kennung: 2024

München, 24. April 1901 (Mittwoch), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Kvapil, Jaroslav

Inhalt

FRANK WEDEKIND.

MÜNCHEN, den 24. April 1901.

Franz Josefstr. 42/II.


Sehr geehrter HerrJaroslav Kvapil, erschlossener Empfänger, ausgehend von dem Hinweis: „Der Brief [...] entstand anläßlich einer Inszenierung des Einakters ‚Der Kammersänger‘ in Prag am 25.IV.1901.“ [KSA 5/III, S.73] Wedekinds „Kammersänger“ wurde am 25.4.1901 „im Nationaltheater“ in Prag „in der tschechischen Übersetzung von Bohdan Kaminský unter der Regie Jaroslav Kvapils aufgeführt.“ [Zbytovský 2020, S. 465] Die Aufführung fand im Královske české zemské divadlo v Praze (Königlich tschechisches Landestheater) statt, wie aus der Anzeige in tschechischer Sprache hervorgeht [vgl. Prager Abendblatt, Nr. 95, 25.4.1901, S. (5)], in der Ankündigung als „Böhmisches Landestheater“ bezeichnet: „Morgen“ erscheine dort „das Schauspiel ,Der Kammersänger‘ (Komorní pěvec) von Frank Wedekind zum ersten Male auf der Szene.“ [Prager Abendblatt, Nr. 94, 24.4.1901, S. (3)] Das war eine Bühne des Prager Nationaltheaters, dessen Chefdramaturg der Schriftsteller und Journalist Jaroslav Kvapil war.!

in Erwiderung Ihrer geschätzten Zeilennicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Jaroslav Kvapil an Wedekind, 23.4.1901. übersende ich Ihnen folgende MittheilungenWedekind hat vier Tage später teilweise ähnlich lautende biografische Mitteilungen auch anderweitig versandt [vgl. Wedekind an Ferdinand Hardekopf, 28.4.1901].. Ich bin am 24. Juli 1864 in Hannover geboren. Mein Vater war Arzt, ein vielgereister MannFriedrich Wilhelm Wedekind, Arzt für Chirurgie und Geburtshilfe, war von 1843 bis 1845 als Bergwerksarzt in der Türkei, danach war er bis 1847 in Palermo, Neapel, Rom und Paris und wanderte schließlich 1849 nach Amerika aus, wo er bis 1864 lebte [vgl. KSA 5/III, S. 77]. Er kam am 5.9.1849 in San Francisco an [vgl. Vinçon 2021, Bd. 1, S. 396] und lebte dort, unterbrochen von einer Reise nach Europa im Jahr 1855, bis zum Umzug nach Oakland im Herbst 1862 [vgl. Parker 2020, S. 222f.], um am 1.4.1864 von San Francisco aus mit seiner Frau Emilie und dem Sohn Armin die endgültige Rückreise nach Europa anzutreten [vgl. Vinçon 2021, Bd. 1, S. 378]., der zehn Jahre in der Türkei und über 15 Jahre in San Francisco gelebt hatte. Meine Mutter war am Deutschen Theater in San Franzisco SchauspielerinWedekinds Mutter schrieb in ihren Jugenderinnerungen über San Francisco: „Beinahe jeden Sonntag spielte ich im deutschen Theater.“ [Becker 2003, S. 107] gewesen. Aufgewachsen bin ich in der Schweiz auf dem Schlosse LenzburgWedekinds Eltern zogen mit ihm – er war 8 Jahre alt – und seinen Geschwistern am 20.9.1872 von Hannover in das kurz zuvor vom Vater erworbene Schloss Lenzburg [vgl. Vinçon 2021, Bd. 2, S. 264], wo er seine Kindheit und Jugend verlebte. im Canton Aargau. Nachdem ich in der Schweiz mehrere Jahre journalistisch thätigWedekind schrieb mehrere Beiträge für die „Neue Zürcher Zeitung“, die 1887/88 erschienen [vgl. KSA 5/III, S. 79]. gewesen war wurde in der Nähe von Zürich das weltbekannte Etablissement MaggiWedekind war von November 1886 bis April 1887 fest angestellt als Vorsteher des Reklame- und Pressebüros der Firma Maggi & Co. in Kemptthal bei Zürich tätig, anschließend bis Juli 1887 als freier Mitarbeiter [vgl. KSA 5/III, S. 79]. für Bouillon-Extract und Suppenwürze gegründet, bei dem ich als Vorsteher des Reclame- und Preßbureaus engagiert wurde. In den Jahren 87 und 88 war ich Sekretär beim Circus HerzogDer Wanderzirkus Herzog gastierte vom 6.7.1888 bis 8.10.1888 in Zürich (Wedekind veröffentlichte seinen davon inspirierten Essay „Im Zirkus“ am 2. und 5.8.1888 in der „Neuen Zürcher Zeitung“) – „Legende ist allerdings, Wedekind sei als Sekretär des Zirkus Herzog gereist“ [KSA 5/III, S. 81].. Nachdem sich der Circus Herzog aufgelöst hatte, ging | ich mit einem meiner besten Freunde, dem bekannten Feuermaler und Vogelstimmen-Imitator Rudinoff nach ParisWedekind hat den Maler und Varietékünstler Willy Rudinoff (Wilhelm Morgenstern) 1890 in München kennengelernt und begegnete ihm 1892 in Paris wieder, „als Rudinoff am Cirque d’Hiver engagiert war“ [KSA 5/III, S. 81]. Die von Wedekind genannten Reisen mit Willy Rudinoff sind erfunden., trat wo wir zusammen bei FranconiDer Cirque Olympique in Paris, in den 1890er Jahren unter der Leitung von Victor Franconi, wurde auch Cirque Franconi genannt, nach der Artistenfamilie, die ihn Ende des 18. Jahrhunderts gegründet hat. arbeiteten. Dann unternahm ich mit Rudinoff unter dem Nom de Guerre(frz.) Künstlername. Mine-Haha eine Tournee durch England und Südfrankreich, auf der wir uns als Gedankenleser producierten. Im Herbst w 1894 hatte ich die Absicht im Verein mit Otto Julius Bierbaum ein künstlerisches Var literarisches Varietée-Theater zu gründen, ein PlanWedekind hatte 1895 erwogen, mit Otto Julius Bierbaum ein reisendes literarisches Varieté zu gründen [vgl. Ferdinand Hardekopf: Das litterarische Variété. In: Freisinnige Zeitung, Nr. 294, 16.12.1900, 2. Beiblatt], ein Plan, der in Bierbaums Roman „Stilpe“ (1897) literarisch beschrieben ist, worüber Wedekind auch mit Ferdinand Hardekopf korrespondierte [vgl. Wedekind an Ferdinand Hardekopf, 28.4.1901]. der aber damals noch an der Verständnislosigkeit des Publicums scheiterte. Ich reiste darauf hin einige Zeit als Ibsen-RecitatorWedekind ist 1895 auf einer Lesereise unter dem genannten Pseudonym als Ibsen-Rezitator aufgetreten [vgl. Wedekind an Otto Eisenschitz, 24.10.1895], so auch im Lesezirkel Hottingen in Zürich [vgl. Wedekind an Hans Bodmer, 24.10.1895]; seiner Mutter hat er über den Vortrag dort berichtet [vgl. Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 29.10.1895]. unter dem Namen Cornelius Minehaha durch die Schweiz und Österreich und wurde im Frühjahr 1896 zur Gründung des Simplicissimusdurch Albert Langen, in seinem Verlag erschienen; das erste Heft der Münchner illustrierten Wochenschrift wurde mit Wedekinds Erzählung „Die Fürstin Russalka“ eröffnet [vgl. Simplicissimus, Jg. 1, Nr. 1, 4.4.1896, S. 2-3] (auf dem Titelblatt die dazugehörige Zeichnung gleichen Titels von U. Jank). Wedekind arbeitete bis 1898 an dem Blatt kontinuierlich mit, wo er außer Erzählprosa [vgl. KSA 5/III, S. 83] insgesamt 54 Gedichte veröffentlichte [vgl. KSA 1/II, S. 2234-2250]. nach München berufen. Während zw der zwei folgenden Jahre war ich un/po/litischer Mitarbeiter des Simplicissimus. Im Frühjahr 1898 | gründete Herr Director Dr. Carl Heine in Leipzig sein Ibsen-TheaterWedekind war seit Ende 1897 Mitglied des kurz zuvor von Carl Heine gegründeten Ibsen-Theaters (Theater der Literarischen Gesellschaft) in Leipzig, eine der Moderne verpflichtete Theatergruppe, die Gastspiele an verschiedenen Bühnen gab. und engagierte mich als Schauspieler und Regisseur. Mit dem Ibsen-Theater reiste ich durch ganz Deutschland und Österreich. Bei dieser Gelegenheit wurde zum ersten Mal mein Erdgeist“ aufgeführtNach der Uraufführung des „Erdgeist“ mit Wedekind in der Rolle des Dr. Schön am 25.2.1898 in Leipzig ‒ angekündigt: „Litterarische Gesellschaft in Leipzig. V. Theater-Abend. Freitag, den 25. Februar, im Theatersaale des Krystall-Palastes. Der Erdgeist. Eine Burleske von Frank Wedekind. Regie: Dr. Carl Heine. Anfang pünktlich 8 Uhr“ [Leipziger Tageblatt, Jg. 92, Nr. 100, 25.2.1898, Morgen-Ausgabe, S. 1457] ‒ gab es, als Gastspiele des Ibsen-Theaters (Direktion: Carl Heine) ausgewiesen, im Leipziger Kristallpalast weitere Vorstellungen am 3.3.1898, 24.6.1898, 27.6.1898 und 29.6.1898. Carl Heines Ibsen-Theater gab „Erdgeist“-Gastspiele am 11.3.1898 im Thalia-Theater in Halle, am 15.4.1898 im Carl-Schultze-Theater in Hamburg, am 26.5.1898 im Lobe-Theater in Breslau; die „Erdgeist“-Gastspiele in Braunschweig und Stettin sind noch nicht nachgewiesen (zu Carl Heine und den Gastspieltourneen seines Ibsen-Theaters besteht noch Forschungsbedarf). und zwar in Leipzig, Halle, Braunschweig Hamburg Breslau und Stettin. Im Herbste 1898 ging ich in Folge des Simplicissimus-Prozessesder Majestätsbeleidigungsprozess am 3.8.1899 in Leipzig, gemeint ist aber das gesamte Geschehen; das Leipziger Landgericht hatte am 24.10.1898 wegen der Veröffentlichung von Wedekinds unter Pseudonym veröffentlichtem Gedicht „Im heiligen Land“ im „Simplicissimus“ [Jg. 3, Nr. 31] angeordnet, das betreffende Heft zu konfiszieren, und sah den Straftatbestand der Majestätsbeleidigung nach § 95 des Reichstrafgesetzbuches als erfüllt an (auch für den Zeichner des Titelblatts Thomas Theodor Heine und für den Verleger Albert Langen); Wedekind entzog sich der Verhaftung nach der Münchner „Erdgeist“-Premiere am 27.10.1898 durch Flucht nach Zürich und von dort nach Paris, stellte sich am 2.6.1899 in Leipzig der Polizei, wurde am 3.6.1899 in Untersuchungshaft genommen, am 3.8.1899 zu einer siebenmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt, die in Festungshaft umgewandelt wurde, die Wedekind vom 21.9.1899 bis 3.2.1900 auf der Festung Königsstein verbüßte. nach Paris, lediglich um Zeit für eine größere Arbeit zu gewinnen. Ich schrieb in Paris den „Marquis v. Keith“ und stellte mich nachdem ich das Stück vollendetWedekind, der noch während seiner Haft auf der Festung Königstein Ende 1899 am „Marquis von Keith“ geschrieben hat, beendete das Stück erst im Frühjahr 1900. in Leipzig dem Richter. Am 3. August 1899 wurde ich wegen Majestätsbeleidigung zu 7 Monaten Gefängnis verurtheilt Vier Monate der Strafe verbüßte ich in der Leipziger Gefangen-Anstaltoffizielle Schreibweise für das Gefängnis in Leipzig (Kleine Burggasse 5): „Gefangen-Anstalt Leipzig“ [Leipziger Adreß-Buch für 1899, Teil II, S. 39], auch „Gefangenanstalt“ [Leipziger Adreß-Buch für 1899, Teil I, S. 238].; darauf wurde die Strafe durch Gnadenerlaß in Festung verwandelt und so verbrachte ich den Winter 99 auf 1900 auf der Festung | Königstein bei Dresden. In jene Zeit fällt die erste Aufführung meines „Kammersängersdurch die SecessionsbühneWedekinds Einakter „Der Kammersänger“ wurde ‒ inszeniert von Martin Zickel ‒ am 10.12.1899 im Rahmen der Eröffnungsmatinee der Secessionsbühne am Neuen Theater in Berlin im Anschluss an den Einakter „Der Besiegte“ von Wilhelm von Scholz uraufgeführt. in Berlin. Auf der Festung Königstein schrieb ich einen RomanWedekind hat „Mine-Haha“ anderen retrospektiven Hinweisen von ihm zufolge 1889, 1890 oder 1895 geplant, wobei er mit der Abfassung 1895 begonnen und den Roman womöglich erst 1903 abgeschlossen hat [vgl. KSA 5/I, S. 1054]. Drei Kapitel des Romanfragments erschienen gerade vorab [vgl. Frank Wedekind: Mine-Haha. In: Die Insel, Jg. 2, Nr. 7, April 1901, S. 27-36, Nr. 8, Mai 1901, S. 93-111, Nr. 9, Juni 1901, S. 234-255], bevor der Text ergänzt um ein fragmentarisches viertes Kapitel und eine Nachschrift 1903 als Buch herauskam [vgl. KSA 5/I, S. 1062f.].Mine-Haha“, der gegenwärtig in der „Insel“ erscheint. Nachdem ich meine Freiheit wiedererlangt hatte, kehrte ich nach München zurück und schrieb dort ein StückWedekind hat die in Paris geschriebene fünfaktige Urfassung „Die Büchse der Pandora. Eine Monstretragödie“ (1894) später in eine Doppeltragödie umgearbeitet, den zweiten Teil (um einen neuen Akt ergänzt basiert er auf den ursprünglichen Akten IV und V) unter dem Titel „Die Büchse der Pandora“ (erstveröffentlicht 1902 in der Zeitschrift „Die Insel“, 1903 als Buch) zwischen Herbst 1900 und Anfang 1901 in München [vgl. KSA 3/II, S. 835].Die Büchse der Pandora“. Augenblicklich bin ich damit beschäftigt für meine GedichteEin Konvolut von 84 Gedichten Wedekinds ist unter dem Titel „Die Jahreszeiten“ im Sammelband „Die Fürstin Russalka“ (1897) im Albert Langen Verlag erschienen [vgl. KSA 1/I, S. 808-813]. Die auf dieser Grundlage vom Autor angelegte handschriftliche Sammlung „Brettl Lieder von Wedekind“ (darin 20 Lieder und ein Fragment) wurde zwar für den Druck im Insel-Verlag vorbereitet, aber nicht gedruckt [vgl. KSA 1/III, S. 318-324]., die unter dem Titel „Die Fürstin Russalka“ erschienen sind, Melodien zu finden, nach denen ich die Gedichte an den Abenden der „Elf Scharfrichterin der Theatersaison allabendlich; die erste Vorstellung des Münchner Kabaretts Die Elf Scharfrichter, das seine Bühne im Hinterhaus des Wirtshauses Zum goldenen Hirschen (Türkenstraße 28) hatte, fand ‒ ohne Wedekind, der aber durch Marya Delvards Vortrag von „Ilse“ präsent war ‒ als ‚Ehrenexekution‘ (geschlossene Vorstellung) um 20 Uhr am 12.4.1901 statt (zuletzt war der 13.4.1901 als Eröffnungsabend angekündigt gewesen). Wedekind war spätestens am 14.4.1901 [vgl. Wedekind an Bertha Doepler, 14.4.1901] von seiner mit Max Halbe, Luise Halbe, Eduard von Keyserling und Hans Richard Weinhöppel unternommenen Italienreise zurück in München. Sein Auftritt bei den Elf Scharfrichtern fand gute Resonanz: „Wedekind ‒ er gab uns einige echte Wedekinds. Seine ‚Brigitte B.‘ und die ‚Sieben Rappen‘ sind in der Form so vollendet gehalten, daß man es hinnehmen kann, daß der Inhalt ‚jenseits von Dezent und Indezent‘ liegt. Dabei verfügt Herr Wedekind über eine bewunderungswürdige Ruhe im Vortrage, eine Ruhe, die selbst ängstlichen und prüden Gemüthern über etwaige Gewissensbisse leicht hinweghilft.“ [Die Elf Scharfrichter. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 54, Nr. 195, 26.4.1901, Morgenblatt, S. 3], dem Münchner Überbrettl, zur Guitarre vortrage.

Was den „Kammersänger“ betrifftDer Einakter dürfte Gegenstand des verschollenen Briefes von Jaroslav Kvapil an Wedekind (siehe oben) gewesen sein, auf den der vorliegende Brief reagiert. Bei der Aufführung von Wedekinds „Kammersänger“ zusammen mit Georges Lefèvres „Le faune“ (1895), beide Stücke in der tschechischen Übersetzung von Bohdan Kaminský, am 25.4.1901 um 19 Uhr am Prager Nationaltheater, in der Anzeige: Královske české zemské divadlo v Praze (Königlich tschechisches Landestheater) [vgl. Prager Abendblatt, Nr. 95, 25.4.1901, S. (5)], führte Jaroslav Kvapil die Regie und verantwortete als Chefdramaturg die Inszenierung. Beide Stücke waren angekündigt als „Neuheiten“ [Prager Abendblatt, Nr. 94, 24.4.1901, S. (3)], was für den Kammersänger revidiert wurde: „Das zweite gestern zum ersten Male aufgeführte Stück ,Der Kammersänger‘ (Komorní pěvec) von Frank Wedekind ist für Prag keine Neuheit mehr; es wurde hier schon vor zwei Jahren von den Berlinern im deutschen Volkstheater gespielt. Gestern bestand es auch vor dem Publikum des böhmischen Landestheaters die Probe mit entschiedenem Erfolge, zumal die Darstellung eine sehr gute war.“ [Prager Abendblatt, Nr. 96, 26.4.1901, S. (3)], so erSchreibversehen, statt: so ist er. dassejenigeSchreibversehen, statt: dasjenige. meiner Stücke, bei dessen Niederschrift ich am allerwenigsten an eine Aufführung dachte. In der zweiten Scene des Kammersänger gedachte | ich ein gutes Wort zu Gunsten des schaffenden Künstlers gegenüber dem reproducierenden einzulegen. In der dritten Scene interessierte mich die Frage, welche Ansprüche eine Frau an einen Mann zu stellen berechtigt ist, den sie sich selbst ausgesucht hat. Für meine wirksamsten Bühnenstücke halte ich „Die junge Welt“ und „Der Marquis von Keith“.

Hiemit, geehrter Herr, habe ich Ihnen alles berichtet, was ich in meinem Leben Erwähnenswerthes aufzufinden vermag. Ich danke Ihnen für die Ehre, daß Sie mich um dessen Mittheilung bitten.

In vorzüglicher Hochschätzung
Frank Wedekind.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 3 Blatt, davon 5 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. 20 x 25 cm. Mit gedrucktem Briefkopf.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Seite 5 enthält, ohne das es für den Schreibfluss eine Rolle spielt, denselben gedruckten Briefkopf wie Seite 1 (nicht wiedergegeben). Der Brief wurde nachträglich von fremder Hand ‒ vermutlich für einen Abdruck der von Seite 1 bis 5 markierten Passage („Ich bin“ bis einschließlich „und ‚Der Marquis von Keith‘.“), in der zwei Worte unterstrichen wurden (auf Seite 1 „Lenzburg“, auf Seite 3 „lediglich“) ‒ redaktionell ausgezeichnet. Der Brief ist nach einer in der EFFW vorhandenen (nun gelochten) Kopie des handschriftlichen Originals wiedergegeben, die in früheren Jahren der EFFW vom Museum der tschechischen Literatur (Prag) zur Verfügung gestellt wurde; das Original des Briefs ist dort derzeit nicht auffindbar.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Als Empfangsort ist Prag anzunehmen, der Wohn- und Wirkungsort des erschlossenen Empfängers Jaroslav Kvapil.

  • Schreibort

    München
    24. April 1901 (Mittwoch)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Prag
    Datum unbekannt

Erstdruck

Werke. Kritische Studienausgabe. Band 5/III. Kommentar zu den Vermischten Schriften

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Hartmut Vinçon unter Mitarbeit von Felix Berthold
Verlag:
Darmstadt: Häusser.media
Jahrgang:
2013
Seitenangabe:
75-76
Kommentar:
Im Erstdruck ist zu diesem Brief angegeben: „Frank Wedekind an Unbekannt“ [KSA 5/III, S. 73]. ‒ Da Kvapil als Theaterreferent journalistisch tätig war ‒ nach seiner Mitarbeit bei „Národní listy“, dem „führenden Organ der Jungtschechen“, war er „von 1896 bis 1904 Redakteur des populären Familienblattes ‚Zlatá Praha‘“ [Kurt Ifkovits unter Mitarbeit von Hana Blahová: Hermann Bahr ‒ Jaroslav Kvapil. Briefe, Texte, Dokumente. Bern 2007, S. 15] ‒ gibt es möglicherweise einen Druck der von fremder Hand markierten Passage (dann vermutlich in tschechischer Sprache) zu Lebzeiten Wedekinds, der aber nicht ermittelt ist.
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Památník národního písemnictví (Museum der tschechischen Literatur), Literaturarchiv (Prag)

Strahovské nádvoří 1/132
11838 Praha – Hradčany
Tschechien

Informationen zum Bestand

Danksagung

Wir danken dem Museum der tschechischen Literatur (Prag) für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Jaroslav Kvapil, 24.4.1901. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (19.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

11.02.2024 15:40