Kennung: 1694

München, 2. März 1902 (Sonntag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Ruederer, Josef

Inhalt

FRANK WEDEKIND.


Sehr geehrter Herr Rüderer!

wie soll ich Ihnen für die herrliche KritikÜber die Uraufführung von Wedekinds Schauspiel „So ist das Leben“ (später: „König Nicolo oder So ist das Leben“) am 22.2.1902 im Münchner Schauspielhaus, veranstaltet vom Akademisch-Dramatischen Verein, aus dem im Jahr darauf der Neue Verein hervorging, zu dessen Gründungsmitgliedern Josef Ruederer zählte, hatte dieser in seiner Besprechung am 27.2.1902 in der Berliner Zeitung „Der Tag“ [Nr. 97] geschrieben, es handle sich hier um ein wirkliches „künstlerisches Bekenntnis“, um einen dramatischen „Höhenflug“, „ein Stück innerlichsten Lebens“ sei „prachtvoll erzählt“ [KSA 4, S. 621]. danken, die Sie über mein nunmehr schon so gut wie zu Grabe getragenes Stück geschrieben haben! Daß sie von wärmsten ungetrübten Wohlwollen für mich durchtränkt und beseelt ist, wird Jedem | der sie liest, auf den ersten Blick klar werden, und trotzdem wird sich niemand einfallen lassen, Sie für voreingenommen zu halten, da Sie es selber mit einer Vornehmheit wie ich sie noch bei keinem kritischen Geist gefunden haben, aussprechen, daß Sie sich mit voller Absicht des Tadelns enthalten. So bitte ich Sie auch, mir glauben zu wollen, daß die künstlerische und seelische Größe die Ihre Zeilen erfüllt | mir von vornherein eine größere Freude verursachen, als es der reelle Vortheil vermöchte, die/en/ mir Ihre Anerkennung vielleicht einträgt. Halten Sie mich nicht für blind gegenüber den eigenen Schwächen. Ich lese aus Ihrer Besprechung heraus, daß Ihnen die/er/ Anlaß gelegen kam, um ein wuchtiges Wort gegen die Nörgeleidie skeptischen bis ablehnenden Besprechungen der Uraufführung von „So ist das Leben“ [vgl. KSA 4, S. 632-637]. des ekelhaften kleinen Ungeziefers zu schleudern, ein Wort, daßSchreibversehen, statt: das. Sie vielleicht bei | der nächsten Gelegenheit sonst mit ebensoviel Feuer und Kraft gesprochen hätten. Um so mehr kann ich mich freuen, daß Ihnen meine Arbeit gerade in den Schuß lief. So gilt auch mein aufrichtiger herzlicher Dank Ihnen in erster Linie als dem Dichter und Menschen und erst viel später Ihrem persönlichen Wohlwollen.

In Verehrung und Hochschätzung
Ihr
Frank Wedekind.


München 2. März 1902.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 12 x 18,5 cm. Mit gedrucktem Briefkopf.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Als Empfangsort anzunehmen ist Josef Ruederers Wohnort München (Herzog Heinrichstraße 20, ab 1.4.1902: Uhlandstraße 4) [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1902, Teil I, S. 525].

  • Schreibort

    München
    2. März 1902 (Sonntag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Zweiter Band

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
86-87
Briefnummer:
199
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Josef Ruederer
Signatur des Dokuments:
JR B 532
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Josef Ruederer, 2.3.1902. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (19.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

23.12.2021 09:35